Ein Argument des stationären Handels bleibt in den vielen Diskussionen der letzten Jahre immer wieder hängen: Menschen brauchen soziale Räume, um sich zu treffen, zu reden und um andere Menschen zu sehen. Diese Treffpunkte wurden in der Stadt bisher durch Handelsmodelle finanziert und auch im finsteren Kassenzone Szenario „Handel 2025“ stellt sich die Frage wer in Zukunft solche Räume finanziert. Einige der bisher diskutierten Lösungsansätze für Händler, stellen sich dann doch leider allzu oft als Märchen heraus.

Im Rahmen dieser Diskussion hat im Frühjahr 2018 die Meldung eines beeindruckenden 35 Millionen Euro Investments in eine „stehende Welle“ in Osnabrück meine Aufmerksamkeit geweckt. Dort gibt es mit L&T noch eines der wenigen unabhängigen Kaufhäuser in Deutschland, das sich in den letzten Jahrzehnten zum mit Abstand führenden stationären Händler in Osnabrück entwickelt hat – in Familienhand. Was macht also eine Familie, die auf stationäre Frequenz angewiesen ist, um auch in den nächsten Jahrzehnten das Osnabrücker Stadtbild prägen zu können? Der Bau einer (extrem beeindruckenden) stehenden Welle mitten in der Stadt, im Rahmen eines neuen Sportgeschäftes, gehört sicherlich nicht zu den Dingen die man erwarten würde. Im Interview mit Kassenzone erklären Marc Rauschen und Alexander Berger warum sie das getan haben und warum es für sie keinen Sinn macht, das eigene Sortiment bei eBay zu listen oder in eine Multichannelstrategie mit eigenem Onlineshop zu investieren. Sie investieren in Dinge, die online nicht kann. Für sie ist das bisher alternativlos als stationäre Händler.

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Im stationären Handel investieren, mit Mark Rauschen & Alexander Berger von L&T in Osnabrück

Pünktlich zum Osterfest war Alex im mittelständisch geprägten Osnabrück, um mit den dortigen „Kaufhaus-Königen“ über einen unternehmerischen Schritt zu sprechen, der fernab des Online-Handels geschieht und viel Mut erfordert. Die beiden Geschäftsführer Mark Rauschen und Alexander Berger sind beide seit mehr als 15 Jahren im Modehaus Lengermann & Trieschmann tätig und brechen getreu dem Motto „Do what you can, with what you have, where you are“ im Gespräch mit Alex eine Lanze für das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und gelebtes Traditionsbewusstsein.

„Wir sind das Gegenteil vom Internet“

03:00

Alex: Ihr habt vor einigen Wochen ein 35-Millionen-Euro Investment in ein Sporthaus inklusive stehender Welle verkündigt.  Dass jemand einen solchen Schritt geht, hört und sieht man nur noch selten und ist nicht nur aus der Kassenzone-Perspektive ziemlich interessant. Könnt ihr kurz noch ein bisschen mehr Kontext geben, zu Osnabrück und eurer Lage?

Mark: Unser Unternehmen liegt in der Mitte der City und besteht seit rund 100 Jahren. Wir sind mit dem Einzelhandel von Textilien groß geworden und haben uns durch Investitionen und die Nähe zum Kunden zu einem sehr starken Player am Standort entwickelt, obwohl alle anderen relevanten Wettbewerber da sind.

Wir finden keinen richtigen Begriff für uns, den wir sexy finden, am besten ist noch „Department Store“, aber wir sind eben etwas mehr als ein Modehaus. Wir haben arrondierende Sortimente mit Sport – natürlich Damen, Herren und Kinder – und wir haben Partner für Schuhe, Parfümerie, Gastronomie und eine Markthalle.

05:10

Alex: Wie viel Fläche nimmt die Gastronomie in eurem Haus ein?

Mark: Das sind ungefähr zehn, fünfzehn Prozent. Unter unserem Dach werden brutto 100 Millionen Euro Umsatz gemacht, von denen wir ungefähr zwei Drittel selbst generieren. Wir haben gut 600 Mitarbeiter unter L&T-Flagge und sind klassische Einzelhändler.

Alex: Wie gesund ist Osnabrück hinsichtlich des stationären Handels?

Mark: Osnabrück ist eine kleine Großstadt mit 165.000 Einwohnern und auf dem Papier zwar klein, aber ganz gesund – deswegen, weil wir Oberzentrum in einer gesunden Region sind. Um uns herum ist relativ lange nichts, dann das Emsland als Einzugsgebiet und rundherum sind es zirka 50 Kilometer bis zur nächsten nennenswerten Stadt, Münster. Von daher leben wir auch von dem Umland und sind der so eine Art urbaner Knoten als Marktplatz für die Menschen aus der Region.

08:20

Alex: Und wie geht’s dem Handel in der Innenstadt? Heute ist Donnerstag, 13 Uhr, und für mich ist es gefühlt voll hier in der Innenstadt. Ist das normal oder wegen der Osterzeit so?

Mark: Generell ist hier gut zu tun, aber auch wir haben den Höhepunkt hinter uns. Seit ungefähr einem Jahr sind unsere Zahlen rückläufig.

Alex: Was heißt das in einer absoluten Zahl? Wie viele laufen hier täglich vorbei?

Alexander: An einem starken Samstag haben wir ca. 50.000 Menschen direkt vor der Haustür.

Alex: Und an einem Wochentag sind es 50 Prozent weniger? Ist das so eine Hausnummer?

Alexander: Ja, so in etwa.

Alex: Na, das ist ja schon ordentlich.

Mark: Das stimmt, aber allmählich nimmt es ab. Das hat verschiedene Gründe, unter anderem natürlich den Wettbewerb durch Online-Handel, Verkehr, erschwerte Erreichbarkeit der Innenstadt, viele Baustellen – aber es nützt ja nichts. Wir freuen uns über die Menschen, die da sind, und mit denen wollen wir arbeiten.

10:20

Alex: Okay, dann kommen wir mal auf das Investment zu sprechen. Ihr habt hier ja kein neues Kaufhaus gebaut, sondern an- oder um- und ausgebaut, und irgendwo habe ich die Zahl „35 Millionen Euro“ gelesen. Wie begründet ihr so ein Investment für euch?

Mark: Zum Verständnis: Wir sind jetzt so groß wie das Alster-Haus und haben so viele Besucher wie der Eiffelturm jährlich. Also, wir sind kein normales Provinzkaufhaus. Unser Haus war in der Vergangenheit groß und es wurde auch immer wieder reinvestiert, aber der große Vorteil der Vergangenheit ist dahin – das heißt die Warenverfügbarkeit und die gute bis sehr gute Beratung. Inzwischen ist, online, jede Spezialität sofort verfügbar.

Deshalb haben wir uns gefragt: „Wie können wir weiterhin erfolgreich sein, mit dem, was der Kunde möchte?“. Darauf folgten verschiedene ineinandergreifende Entscheidungen. Zuerst haben wir Sport für uns als Wachstumsmarkt identifiziert, den wir beherrschen. In diesem Bereich haben wir eine treue Kundschaft, deren Partner wir sein wollen. Um aber die „Sortimentsmacht“, die der Kunde erwartet, kompetent zu präsentieren, benötigten wir mehr Fläche.

Die zweite Entscheidung galt dem stationären Handel. Wir wissen, dass online viel geht, aber wir waren schon immer gut im stationären Handel und schließlich macht er 80 Prozent unseres Umsatzes aus. Und selbst wenn es irgendwann nur noch 70 Prozent sein sollten – unsere Devise lautet, so profan es klingen mag: Wir setzen auf den Großteil des Marktes, stellen hierfür 100 Prozent unserer Managementkapazitäten zur Verfügung und machen unsere Arbeit einfach richtig gut.

(An dieser Stelle führen Mark und Alexander den Osnabrücker Jahrmarkt als Beispiel ins Feld: Wie vor 100 Jahren gibt’s da Zuckerwatte und eine Achterbahn, aber dafür kommt eben keiner mehr. Die eigene Arbeit „richtig gut machen“ hieß in ihrem Fall: Investieren in die eigene Verkaufsstätte.)

17:00

Mark: Und deswegen haben wir uns diese ausladende Aktionsfläche ins Haus geholt, darunter eine Arena mit 100 Sitzplätzen und eben die stehende, 1,40 Meter hohe Welle. Das gibt uns Freude und den Menschen aus der Region den Besuchsanlass. Und das ist teuer, ja, aber Immobilien sind immer teuer und haben die Funktion hoffentlich noch über Jahre und Jahrzehnte hinaus. Das ist ein bisschen hart am Wind gesegelt, aber mit einem normalen viereckigen Verkaufshaus mit einer normalen Fassade und einem normalen Schaufenster wollten wir nicht mehr antreten.

Alex: Ihr habt euch also ganz proaktiv gegen den viel propagierten Multichannel-Ansatz entschieden. Wie habt ihr denn die Konzepte entwickelt, wie ihr durch die Kunden, die dann möglicherweise kommen, um auf der stehenden Welle zu surfen, mehr Handelsumsatz generieren könnt?

Alexander: Grundsätzlich gibt es zwei Antworten auf diese Frage. Einerseits versuchen wir das natürlich über Kundenkarten oder CRM-Systeme. Andererseits ist das allein aber nicht unsere Aufgabe. Stattdessen müssen wir dafür sorgen, dass die Kunden zu uns kommen und, wenn sie hier sind, so viel wie möglich kaufen. Also steigern wir unsere Attraktivität, ähnlich wie ein Freizeitpark, der jedes Jahr eine neue Achterbahn baut.

21:38

Alex: Und wie macht ihr das? Ist die Welle quasi eure nächste Achterbahn?

Alexander: Genau.

(So hat sich L&T den Status als „Event-Haus“ erarbeitet, mit dem Ziel, die Kunden zum Bleiben zu bewegen. Zu diesem Zweck gibt es verschiedene Bereiche, die untereinander ohne Türen oder ähnliche Barrieren erlaufen werden können, mit Ausnahme der Gastronomie, der Gerüche wegen. Im Durchschnitt, sagt Mark, verbringen Besucher zweieinhalb Stunden im L&T-Haus – und manche auch den ganzen Tag.)

24:26

Mark: Dann kaufen sie ein und laufen auch mal durch die Stadt, denn: Wir sind ausdrücklich Teil der Stadt und leben in Synergie mit unseren Nachbarn, statt eine Monokultur schaffen zu wollen.

Alex: Gibt es um Osnabrück herum noch so klassische „Grüne-Wiese-Einkaufszentren“, also große Zentren außerhalb der Stadt?

Alexander: Nein, wir haben kein klassisches Einkaufszentrum in der Peripherie. Zwei Orte weiter gibt es zwar ein Outlet-Center, aber sonst nichts.

25:40

Alex: In Interviews mit klassischen Online-Händlern stelle ich auch immer eine Frage zur Neukundengewinnung. Beschäftigt ihr euch damit, wie ihr zum Beispiel die Frequenz in den Läden nochmal steigern könnt, bevor die Leute zu Kaufhof gehen, und wenn ja, über welche Kanäle?

Alexander: Uns geht es nicht so sehr darum, unseren Wettbewerbern die Kunden streitig zu machen. Wir denken eher in der Kategorie „Wie können wir es schaffen, dass die Kunden nach Osnabrück kommen?“. Und da haben wir zwei wesentliche Wettbewerber. Das eine sind die umliegenden Einkaufsstädte, Münster, Bielefeld, Oldenburg und wie sie alle heißen –

Alex: Ja, Bielefeld ist kein Wettbewerber. Die sind eher Marktbegleiter, vielleicht.

Alexander: Und der zweite ist dann natürlich online. Wie schaffen wir es, dass die Menschen tatsächlich sagen „Wir nehmen den Weg in die Innenstadt auf uns, anstatt dass wir vom heimischen Sofa aus shoppen?“. Da müssen wir den Ansatz sehen und Resonanz erzeugen. Und alles, was wir online machen, ist eben genau auf diese Thematik ausgerichtet. So kamen die ersten Buchungen für die Welle auch nicht aus Osnabrück, sondern, wenn ich mich recht erinnere, aus Wilhelmshaven.

(Nach einer kurzen Besprechung der organisatorischen Aspekte der Welle kehrt das Gespräch noch einmal zum Thema Neukundengewinnung zurück. Auf diesem Gebiet sehen sich L&T eher als Teil der Freizeitindustrie, weil hier viele Menschen Zeit verbringen, ohne wirklich auf der Suche nach etwas zu sein – anders als beim Online-Handel. Deshalb ist der Großteil der Unternehmensbemühungen auf die Aufenthaltsqualität ausgerichtet. Die tragende Säule des Geschäfts sind jedoch die Stammkunden.)

32:05

Alexander: 80 Prozent unserer Kunden kennen wir und sie kennen uns, und die anderen 20 sind eben neu. Und ab und an verlässt auch mal einer die Stadt oder findet uns doof, weil wir etwas falsch machen oder weil sie sich anders orientieren. Deswegen brauchen wir neue Kunden. Und um die kümmern wir uns anhand klassischer Medien, z. B. durch eine „Bring a friend“-Aktion oder mal eine Postwurfsendung.

Und jetzt kommt die Welle wieder ins Spiel. Bisher haben wir ein Einzugsgebiet von rund 600.000 Menschen und die Welle hat so eine Strahlkraft, dass wir hoffen – das ist für uns das Mittel zum Zweck – durch sie einen größeren Radius von 800.000 Menschen erreichen zu können.

 

Alex: Gibt es so eine Welle schon irgendwo anders in einer klassischen Innenstadt?

Alexander: Es gibt sie in vergleichbarer Form schon einmal in der Jochen-Schweizer-Arena in Taufkirchen bei München. Nach dieser sind wir die zweite Indoor-Welle in einem Department Store, ansonsten gibt es nur Outdoor-Installationen.

Alex: Was ist denn der Refinanzierungszeitraum für so ein Investment, kalkulatorisch?

Alexander: Also, ein Teil ist ein Mehrumsatz, den wir erwarten. Ohnehin gehen wir im stationären Handel immer davon aus, dass wir in gewissen Zyklen reinvestieren müssen, damit wir den Standard halten und immer wieder aktuell werden. Und ein Teil der Investition ist für uns letzten Endes auch eine Investition in ein Marketingvehikel. Unser Ziel ist es, mit den Einnahmen die laufenden Kosten zu decken, aber nicht, dass wir die Investitionskosten für die stehende Welle in 10, 20 Jahren wieder eingespielt haben.

38:45

Alex: Ich finde die Idee ja relativ verlockend und halte sie für sehr modern, aber die Frage ist: Wie passt das mit dem klassischen Prinzip der Flächenbewirtschaftung zusammen? Und müsste ein nächstes Bauprojekt dann nicht eigentlich einen ähnlichen Signaleffekt haben?

Mark: Uns fehlt jetzt zwar das visuelle Mittel, aber im Grunde trägt das Sporthaus die Überschrift: „Wir sind das Gegenteil vom Internet: Wir sind emotional, visuell, wir sind haptisch.“. Soll heißen: Wir verstehen uns auch als Marktplatz. Ich glaube an den alten Marktplatz, den es seit Tausenden von Jahren gibt, wo sich Menschen treffen, unterhalten, sehen und gesehen werden, wo sie ein Produkt anfassen und mitnehmen. Wenn wir unseren Job gut machen, und die Leute gerne hier sind und sich wohlfühlen, dann können wir auch etwas verkaufen.

Und zur Frage der Refinanzierung: Ich glaube, das Schlimmste wäre es, nichts zu tun. Wenn wir dem Kunden hier nichts bieten können, geht der Umsatz zurück. Und deswegen ist es für uns auch eine Art Lebensversicherung.

42:50

Alex: Okay, ich habe noch zwei Frage-Kontexte, die sich daraus ergeben. Einerseits: Fairerweise seid ihr ja nur ein Teil der Handelskette. Seid ihr nicht auch darauf angewiesen, dass die Hersteller, die hier ihre Neoprenanzüge oder Tauchgeräte verkaufen – also Produkte, die hohe Warenkörbe erzielen – diese nicht online viel günstiger anbieten, während ihr sie hier teuer präsentieren müsst?

Alexander: Die Hersteller sind glücklich, dass sie mit uns schon fast so eine Art Showroom haben, der Lifestyle mit hervorragender Beratung und einer schönen Präsentation der Produkte verbindet. Und meiner Meinung nach ist online eben nicht immer alles günstiger. Die New Economy tickt da anders, die haben andere Ziele, zum Teil auch andere Möglichkeiten, das stimmt, aber das ist nun einmal unser Kontext. Das bejammern wir nicht.

Stattdessen versuchen wir für den Kunden wettbewerbsfähige Preise darzustellen. Das ist nicht immer der allergünstigste, aber wir möchten auch, dass der Kunde sich wohl bei uns fühlt, und dazu gehört auch, dass er nicht nachhause kommt und sich ärgert, dass er es woanders günstiger hätte bekommen können.

Alex: Kommt euch damit – und auch durch euer Investment – nicht auch eine Einkaufsmacht zu, die euch in den Verhandlungen mit Händlern helfen könnte?

Alexander: Also, diese Einkaufsmacht würde ich so nicht unterschreiben. Zugegeben, eine Marke online zu inszenieren ist das eine, aber an sich ist es doch viel schöner, konkrete Touchpoints zu haben und auch Kunden direkt ansprechen zu können, die vielleicht gar nicht gezielt nach mir und meinem Artikel suchen. Und wenn wir dem Lieferanten diese Bühne bieten, fragen wir natürlich auch, was wir dafür kriegen oder wie er uns an anderer Stelle unterstützen könnte. Am Ende des Tages müssen wir aber immer aufpassen, wie Mark gerade sagte, dass wir ein Angebot bereithalten, das vergleichbar ist.

48:00

Alex: Kann ich mich trotzdem im Vorfeld meines Besuchs online über eure Produkte informieren?

Alexander: Das sind unsere nächsten Schritte. Wir haben uns zuletzt vordergründig um das stationäre Geschäft gekümmert und wollen jetzt unsere Services digitalisieren, sowohl vor als auch nach dem Kauf.

Wir haben aber nicht vor, unser komplettes Sortiment eins zu eins online zu stellen. Dafür sind wir zu breit aufgestellt. Das alles online zu stellen „nur“ für den regionalen Markt, in dem wir die Bekanntheit haben, ist zu teuer. Und wenn wir es online stellen, um deutschlandweit zu verkaufen, dann wissen wir alle, was das für das Thema Marketingaufwendungen bedeutet.

Alex: Ihr habt also erkannt, dass eine blinde Online-Shop-Strategie – einfach nur um ein bisschen Reichweite mitzunehmen, die wahrscheinlich eh schon da ist – zu sehr von euren bisherigen Stärken ablenken und euch in eurem stationären Geschäft zu sehr schwächen würde.

Mark: Genau, zwei Gründe sprechen dagegen: Im Moment deckt die Marge die Kosten noch nicht. Und wir können‘s nicht. Also, wir könnten uns das Know-how zwar einkaufen, haben es originär aber noch nicht im Haus. Das ist ein ganz anderes Business, das man da betreiben muss. Das umfasst Prozesse, die wir bisher noch nicht beherrschen. Die können wir lernen, aber als der Katalog vor 40 Jahren erfunden wurde, haben wir da auch nicht mitgemacht.

Alex: Ja, gut, das ist jetzt auch schon wieder vorbei. Habt ihr gut ausgesessen. Habt ihr da trotzdem digitale, technische Assets auf  dem Gebiet der stationären Digitalisierung, wie zum Beispiel Instore Analytics? Ihr seid ja ein klassischer, begehrter Pilotpartner für solche Themen. Euch gehört hier eine extrem attraktive Fläche, da werdet ihr in den letzten Jahren doch bestimmt so einiges gemacht haben.

53:30

Alexander: Aber sicher! Das einfachste ist natürlich die Frequenzmessung. Die große Herausforderung liegt jedoch woanders. Jeder Online-Händler weiß sofort: Wer war auf der Webseite, was hat er sich angeguckt, wo hat der Kunde abgebrochen, für welche Artikel hat er sich interessiert? Wir hingegen wissen nicht, wie lange unsere Kunden da waren und für welche Teile sie sich ursprünglich interessiert haben. Das ist für die Zukunft natürlich ein Thema, an dem wir arbeiten müssen.

Derzeit läuft bei uns aber ein Pilotprojekt mit RFID. Ist die Ware erst einmal mit diesen Tags versehen, haben wir einen bunten Blumenstrauß an Anwendungsmöglichkeiten, von der intelligenten Umkleidekabine bis hin zum Monitor, der mir anzeigt, welche Artikel zu meinem Teil passen. Demnächst startet außerdem ein WLAN-Tracking-Pilotprojekt, um Kundenwege besser nachvollziehen zu können.

Alex: Ganz offen und neutral: Habt ihr denn Belege dafür, dass diese Konzepte dabei helfen, den Laden besser zu gestalten und die Ausschöpfung pro Kunde oder auch die Loyalität beim Kunden zu erhöhen, weil er eher findet, was er sucht?

Alexander: Der steht ehrlich gesagt noch aus. Aber wir glauben fest daran. Das ist die Logik, mit der wir groß geworden sind. Und auch wenn die Onliner uns in der Analyse und der Denke ein bisschen voraus sind, weil sie da sehr radikal sind und das Feedback in Echtzeit haben, verdammen wir diese Herangehensweise nicht. All das wollen wir auch gerne haben, die Denke eingeschlossen, weil wir die richtig finden. Und umgekehrt ist die Online-Denke ja zum Teil auch aus dem Stationärgeschaft und den Erfahrungen als Kaufmann entstanden.

Deshalb gehen wir davon aus, dass wir, wenn wir die nötige Infrastruktur schaffen und die Möglichkeiten haben, diese Kennziffern in Echtzeit zu erheben und umgehend zu analysieren, dann auf Ballhöhe und für den Kunden nach wie vor relevant sind – denn das ist für mich wirklich das Hauptkriterium, Relevanz. Egal über welchen Kanal, das soll der Kunde selbst entscheiden.

01:00:10

Alex: Eine Frage, die sich in der WhatsApp-Gruppe ergeben hat, war: Wie sorgt ihr dafür, dass die Mitarbeiter sich weiterbilden und auch wirklich gut sind in dem, was sie tun?

Alexander: Das ist natürlich einer unserer wichtigsten Touchpoints, also müssen wir da eine gute Performance abliefern. Einerseits versuchen wir die Leute so auszusuchen, dass sie Freude an Ihrem Job und an der Mode haben, und sich infolgedessen auch gerne damit beschäftigen. Aber wir schulen sie natürlich auch, zum Beispiel anhand von Produktschulungen durch unsere Einkäufer und Lieferanten, weil wir Wert darauf legen und weil wir wissen, wie wichtig das für den Kunden ist.

Das ist unsere Aufgabe und die ist teilweise heikel und schwer. Aber das ist eben der Luxus, den wir uns erlauben: Darauf achten zu können, dass die Mitarbeiter – meistens sind es Mitarbeiterinnen – das Leuchten in den Augen haben.

(Dasselbe gilt für den Sportbereich bei L&T: Kompetenz habe Vorrang! Nur jemand, der selber Fußball spielt oder schon einmal einen Marathon gelaufen ist, könne authentisch erläutern, wie ist es ist, mit dem einen oder dem anderen Schuh unterwegs zu sein. Natürlich werde es auch mal jemanden geben, der noch besser informiert ist, doch das ändere nichts am Anspruch der Geschäftsführer an ihre Institution, unterstreichen Mark und Alexander zum Schluss.)

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