Melanie Schehl begleitet mich seit einigen Jahren in meinen E-Commerce Gründungen und hilft dabei eine gute Unternehmenskommunikation aufzubauen. Das hat sie unter anderem bei eTribes, AboutYou, Spryker, Factor-A und auch einigen Project A Beteiligungen gemacht. Im Interview reden wir über die Strategie einer guten PR und was man heute alles nicht mehr machen sollte. Pro Tag erreichen uns über den [email protected] Account 10-40 PR Mails die darum bitten bei Kassenzone einen Beitrag zu bekommen. 95% sind aus meiner Sicht Spam und werden in den meisten Fällen von PR Agenturen geschrieben. Es scheint ja noch zu funktionieren, sonst würden nicht so viele Mails kommen und hin und wieder funktioniert es ja auch, indem ich darüber einen neuen Podcast Gesprächspartner finde. Bei den großen Redaktionen werden es hunderte oder tausende Mails am Tag sein und im Gespräch mit Melanie versuchen wir herauszufinden wie man trotzdem noch durchdringen kann und was am Ende auch noch Sinn macht.

Viel Spass bei der Wochenendelektüre.

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Gute PR mit Melanie Schehl, Kommunikationsexpertin

Melanie firmiert unter ihrem eigenen Namen als PR-Beraterin und betreut mehrere Unternehmen im näheren Umkreis von Kassenzone – unter anderem eTribes, Spryker und AboutYou. Schwerpunktmäßig arbeitet sie mit Start-ups oder jungen Firmen zusammen. Sie hilft ihnen, typische Fehler in der anfänglichen Kommunikation zu vermeiden und einen strategischen Ansatz in der Pressearbeit zu verfolgen.

 „Journalisten ertrinken in der Flut“     

2:20

Alex: Viele in unserem Umkreis kennen dich schon. Aber für die Hörer, die das noch nicht tun, musst du bitte sagen, wer du bist und was du machst.

Melanie: Ich bin PR-Beraterin – und den Begriff PR sollten wir gleich einordnen, weil damit sehr viel Ungutes verbunden (was leider auch zum Teil stimmt): Das Kürzel PR steht ja für Public Relations, wozu Öffentlichkeits- und Pressearbeit sowie Kommunikationsstrategie gehört. Seit zehn Jahren betreue ich Unternehmen in der Kommunikation; seit fünf Jahren sind das sehr junge Unternehmen – also Start-ups, Corporate Ventures usw.

Mein Hintergrund ist schon lange „digital“, wobei das immer wieder anders hieß. Angefangen bin ich etwa in der „New Economy“. Damals habe ich darüber geschrieben, denn ich bin Geisteswissenschaftlerin – was man mir zum Teil anmerkt…

Alex: Das stimmt!

Melanie: Ich bin daher sehr auf fundierte Inhalte und saubere Sprache fokussiert. Nachdem ich geschrieben und etwas Agentur-Erfahrung gesammelt hatte, habe ich mich selbstständig gemacht. Ich habe kleine Firmen wie etwa Social-Media-Agenturen betreut, aber auch für große Firmen wie Gruner & Jahr gearbeitet, und habe daher alle Stufen der Digitalisierung erlebt. Das habe ich mal fest, mal frei gemacht – und so haben wir uns kennengelernt.

Alex: Alle sagen immer: „Boah, Spryker ist ja überall in den Medien, alle berichten drüber. Mit wem macht ihr denn PR?“ Da habe ich mir gedacht, dass ich dich jetzt einladen muss. Aber wir arbeiten schon lange zusammen: Angefangen hat das 2013 nach dem Verkauf von NetImpact an die Otto-Gruppe. Wir gründeten unser neues Beratungsgeschäft eTribes und als es durch die Decke ging, brauchten wir ja jemanden, der uns in die Zeitungen bringt. Seitdem hast du über mehrere Berührungspunkte mit uns zu tun gehabt: den Aufbau von eTribes und dann von AboutYou. Danach noch der Start von Spryker sowie factor-a. Zudem bist bei vielen Project-A-Ventures unterwegs.

Dabei haben wir eine Lernkurve gemacht, die – so glaube ich – für viele Hörer spannend ist. Wir mussten viele von den Dingen, die du uns nur sehr mühevoll hast beibringen können, verinnerlichen. Wie fängt das denn an, wenn ein neuer Kunde zu dir Kontakt aufnimmt. Was machst du mit ihm an erster Stelle? Oder was sind so die klassischen Fehler, die gemacht werden?

5:20

Melanie: Erst einmal: Wir haben ja doch eine gemeinsame Lernkurve hingelegt! Ein klassischer Fehler von Jungunternehmen ist es allerdings, PR mit Marketing zu verwechseln. Das sieht man an der Zeitplanung: Viele denken, wenn sie bei mir anrufen, dass sie dann drei Tage später in der Zeitung stehen.

Alex: Das geht auch: Das Format heißt doch „Advertorial“…

Melanie: Richtig! Und das ist eben Marketing, nicht doch das Ergebnis von PR. Und durch dieses Missverständnis wird viel Potenzial verschenkt. Denn als junges Unternehmen kann man das Disziplin noch nicht vollends beherrschen. Und wer es versäumt, mit einem erfahrenen Freelancer oder mit einer Agentur über PR zu sprechen, begeht dann eben Fehler, zum Beispiel: Nicht sauber zu sagen, wer man ist. Oder: Nicht den Unterschied zwischen Sales-Botschaften und journalistischen Themen zu erkennen.

Alex: Angenommen, es fängt ein neues Möbel-Start-up an – ein Büromöbelhändler, der den B2B-Markt revolutionieren möchte. (Im B2C-Bereich gibt es ja bereits Westwing, Wayfair und Home24.) So haben unsere Beispielsgründer 5 oder 10 Millionen Euro eingesammelt und legen los. Welche Fehler werden sie denn begehen?

Melanie: Der Markt ist zwar viel erwachsener geworden und habe viele Gründer kennengelernt, die extrem intelligent sind – und äußerst lernbereit. Was aber sehr oft und ganz natürlich vorkommt: Eine totale Innensicht. Sie würden dann beispielsweise vorschlagen: „Können wir nicht bei TechCrunch anrufen und sagen: ‚Wir sind das Westwing für Büro‘?

Alex: Geil. Wo ist denn das Problem?

Melanie: Eigentlich ganz geil. Funktioniert aber nur, wenn man auch ein bisschen was vorweisen kann oder bereit ist, eine genaue Zahl zur Investitionssumme zu nennen (was Leute sehr ungern tun) – und wenn das Geld nicht von Papi kommt!

Alex: Und ist 5 Millionen an eingesammeltem Kapital eigentlich noch spannend genug?

Melanie: Man muss wissen: Die bei TechCrunch kriegen 200 Anfragen am Tag. Da muss man erst einmal durchdringen. Aber es geht eben um die Qualität der Geschichte, nicht die Quantität der Investition. Hat man auch mit einem kleinen Betrag ein echtes Coup gelandet? Vielleicht ist man etwa ein spannender Underdog aus Berlin, der einen bekannten Investor aus USA überzeugt hat. Das kann durchaus eine Meldung wert sein. Aber genau deswegen reicht es nicht zu sagen: „Wir nehmen mal unsere Produkt- und Unternehmensbeschreibung und drücken das in den Markt.“ Das liest keiner. Das landet im Trash-Ordner.

Es ist eben wichtig zu wissen, dass auch Wirtschafts- und Techjournalisten lieben Geschichte, arbeiten gern mit Sinnbildern: „David gegen Goliath“ zum Beispiel, also der Underdog. In eurem Fall mit Spryker wurdet ihr als „die hippe Software“ angepriesen. Dahinter standet aber ihr und das war eine tolle Story. Vor allem im B2B ist es interessant, wer die Gründer sind: Sie sind die Referenz für das Produkt. Wenn es ein FinTech ist, will ich wissen: Wer steckt dahinter? Wie treten die auf? Sind sie solide? Ihr habt ja mit Fabian Wesner einen der Vorzeigearchitekten der deutschen Digitalszene an Bord gehabt, der das aus der Praxis heraus entwickelt hat – unter dem Dach eines erfolgreichen Investors. Ihr beide – Nils und du – waren im E-Commerce angesehen Berater und Strategen schon.

Das ist eigentlich so das Traumrezept! Aber es will kommuniziert werden. Und wir haben am Anfang gelernt, dass das Wort „Framework“ zum Beispiel nicht gut ankommt…

(Alex steht humorvoll zum sperrigen Begriff.)

10:40

Alex: Aber zurück zu unserem fiktiven B2B-Start-up ohne namenhafte Gründer: Wie läuft das denn? Schlägst du eine Story vor? Machst du Fotos?

Melanie: Erst einmal gucke ich was da ist – beispielsweise an Fotos – und womit man arbeiten kann. Gerade Start-ups wollen nicht ganze Tage und hohe Beträge in PR investieren, aber es sollten schon vorteilhafte Fotos sein. Auch wichtig: Nicht alle in hellblauem Hemd vor einer Backsteinmauer! Das ist Basisarbeit. Sonst liegt bei deinem Beispiel eigentlich schon die Story in der Luft. Da müssten die Gründer gar nicht so viel mitbringen.

Wenn man sich zum Beispiel anguckt, was gerade überall in den Medien steht und was für Unternehmen gerade sehr wichtig ist, geht es um das Thema Neues Arbeiten. Wie dock also unser neuer Anbieter an die Veränderungen in der Arbeitswelt an? Wie ist es mit Co-Working-Spaces? Sind Kooperationen möglich? Könnte man etwa ein gemeinsames Interview mit jemandem von der Co-Working-Kette organisieren? Vielleicht lädt man einen Innenarchitekten ein, der was dazu sagen kann.

Auch interessant: Was war der Anstoß? Vielleicht hat da einer gesagt: „Auf den Dingern, die wir bestellt haben, kann ich nicht sitzen! Und ich kann meinen Nachbarn nicht sehen! Warum ist das so?“ Es wird eine Menge heiße Luft zu Themen wie Neue Arbeitsformen geredet, aber da kann man auch was Fundiertes dazu erzählen.

12:30

Alex: Und wenn man die Geschichte hat, wie geht es weiter? Guckst du zum Beispiel, welche Redakteure bei TechCrunch oder Handelsblatt oder anderen Medien sich für das Thema interessieren könnten und gehst gezielt auf die zu?

Melanie: Genau, weil ich die Kontakte habe. Aber ich trete da nicht als Mittelsmann auf, sondern stelle den Kontakt direkt zu den Gründern her. Obwohl das eigentlich nicht unbedingt in meinem Interesse ist. Nichtsdestotrotz es ist eben besser, ein eigenes Netzwerk aufzubauen. Das heißt klein anzufangen und Hintergrundgespräche mit Journalisten zu führen, bei denen erst einmal ums Kennenlernen geht. Da breitet man dann einen Strauß an Geschichten aus und vermittelt dem Journalisten Informationen, die er für seine Arbeit braucht. Im Idealfall greift der Journalist auf das Expertenwissen später immer wieder gern zurück. Vielleicht entsteht dann ein oder zwei Monate später mal ein Artikel daraus oder – und das allein ist viel wert – man wird eingebunden.

(Vertiefend weist Melanie darauf hin, dass eine bestehende Stimme – etwa ein Blog wie Kassenzone oder eine starke Präsenz auf LinkedIn oder anderen Social-Media-Kanäle – dazu benutzt kann, in die Medien aufgegriffen zu werden. Junge Unternehmen sollten sich daher überlegen, sich schon früh mit eigenen Inhalten zu positionieren.

Das dauere aber, sagt Alex. Gründer, die Geld eingesammelt haben, wollten Ergebnisse. Eine Finanzierungsrunde mache aber eh alles leichter, erklärt Melanie, weil sie eben eine ‚harte Nachricht‘ sei. Dabei gehe es nicht um die Zahl der Meldungen, sondern darum, mit welchen Begriffen man verbunden werde.

Andere Basisfehler in dem Kontext, die teilweise sogar juristisch von Belang seien: Hat man sich mit den Investoren über Zahlen, Zitate und Namensnennungen abgestimmt? Wann genau geht man damit an die Öffentlichkeit. Einige Situationen seien eben sehr sensibel: Da könne eine 27-Jährige Kulturwissenschaftenabsolventin ganz schön ins Schwitzen kommen…)

17:00

Alex: Nehmen wir so ein Launch wie bei AboutYou. Das war das wohl größte Event in unserem Kreis: Location, Verpflegung, Programme, USB-Stick für jeden Journalisten (bei Spryker und eTribes gab es ja höchstens Kekse für anwesende Redakteure…). Dann hat man natürlich Tarek, das E-Commerce-Wunderkind, und Sebastian Betz als IT-Brain hinter der Plattform sowie Benjamin Otto. Was steckt denn hinter so einem Launch? Sind die Budgets fünfstellig? Wie viele Arbeitstage sind das – 100? Ich weiß es wirklich nicht!

Melanie: Ganz 100 Tage nicht. Das PR-Team dafür bestand aus mir und meiner Mitarbeiterin, die ja heute die Presseabteilung für AboutYou leitet. Aber wir hatten viel Unterstützung. Und natürlich muss man sich immer Fragen: Was müssen wir leisten und was leisten andere? AboutYou war ja finanziert von der Otto-Gruppe. Größte Herausforderung: Es wird ein Otto zugegen sein!

Alex: Was musstet ihr deswegen anders machen? Geht es doch eigentlich darum, bei den Leuten mit der Reichweite (also den Journalisten) einen guten Eindruck zu machen, nicht bei den Geldgebern – oder?

Melanie: Es wurde uns aber klar: Wir sind ein Corporate-Venture und haben eine große Verantwortung gegenüber diesem Konzern. Den Kontakt zu den Fachjournalisten hatten wir ja schon viel früher aufgenommen. Da war übrigens eine strategische Überlegung bei: Viele wollen Top-Down arbeiten, also bei TechCrunch angefangen. Aber uns war klar: Weil das ein ganzes neues Konzept mit einem schwierigen neuen Ansatz ist, sind diejenigen, die uns werden verstehen müssen, diejenigen, die sich in der Branche auskennen. Wir brauchten also den Respekt der Fachpresse, mussten es aber auch für die Wirtschaftspresse verständlich formulieren.

So waren die Inhalte viel schwieriger als die Eventplanung. Dazu kann man sich Unterstützung holen: Es war zwar anstrengend, es war aber eben Projektmanagement. Die wirkliche Herausforderungen waren die Inhalte im Werden. An einer der Reden wurde noch bis drei Uhr nachts gefeilt. Das hat sich aber alles gelohnt.

20:15

(Alex sagt, sein Eindruck sei es, dass die Aufmerksamkeitsspanne in der Presse schrumpfe, weil im Digitalen so vieles passiere. Zudem werde in den Redaktionen gekürzt. Melanie bestätigt das: Sowohl der zur Verfügung stehende Raum – gedruckt sowie online – als auch die Zahl der Redakteure gehe stark zurück. Nur noch die größten Namen drängen durch. Umso wichtiger seien persönliche Kontakte und griffige Geschichten, die bereits aufgearbeitet vorliegen.

Die Lage berge aber auch Chancen. Die Unterscheidung Digital-Analog verschwinde zunehmend. So hätten Melanie und Alex ja irgendwann angefangen, nur noch von Commerce anstatt von E-Commerce zu reden. Das Thema Start-ups und Unternehmertum sei so wichtig für die Wirtschaft geworden, dass es raus aus der medialen Ecke gebracht werden. So gebe es mehr Start-ups, die um die eingeengte Aufmerksamkeit immer weniger Redakteure buhlten. Gleichzeitig nehme das Thema bei schrumpfendem Platzangebot immer mehr Raum in den Medien ein.)

24:00

Alex: Dabei wollen ja immer mehr Corporates mit eigenen Ventures in den Markt. Und mein Gefühl ist: Wenn man mit einer großen endkonsumentenbekannten Marke wie Douglas, Metro oder sonst was kommuniziert, verdrängt man die Start-ups.

Melanie: Das sehe ich nicht so. Gerade wirkliches Unternehmertum – Start-ups, die wirklich so denken und handeln und zu wenig schlafen – haben für Redakteure meiner Einschätzung nach den höheren Wert, wenn es um Entrepreneurship geht. Klar, wenn es um große, bekannte Unternehmen mit zig Kunden und X-Umsatz geht, wird das im Wirtschaftsressort entsprechend gewichtet. Aber beim Thema „Start-ups und wir sie arbeiten“ haben wir beispielsweise gesehen, wie über Tarek berichtet wird: Er hatte ja diesen Vorstoß, dass Führungskräfte im Unternehmen zirkulieren, damit sie wach und aufnahmefähig bleiben – ich weiß nicht mehr, wie er das Prinzip nannte…

Alex: „Hire & fire!“

Melanie: Du, gewohnt frech! Guck mal, so eine Aussage hätte ich dir zum Beispiel verboten!

(Das Konzept von Tarek wird dann erläutert, bis Melanie – ganz die Fachfrau – auf eine Zurückfindung zum Kernthema des Podcasts drängt.)

26:30

Alex: Was ich selber erlebe: Mit der Kassenzone-E-Mail bin ich in irgendwelchen komischen Presseverteilern drin und bekomme zunehmend Anfragen, die alle gleich aussehen. „Unternehmen XYZ hat einen neuen Marketingchef“ oder „XYZ ist jetzt auch im Bereich Blockchain/AI tätig“. Dann folgen drei Bulletpoints à a „Blockchain ist superwichtig!“, ein Fließtext und ein Abbinder; dazu eine Anlage und der verheißungsvolle Satz, dass der Geschäftsführer Max Mustermann für ein Interview Zeit hätte.

Mein Empfinden ist: Weil es zunehmend schwer wird, an Journalisten ranzukommen, wird die PR-Arbeit automatisiert – Pressebox.de und solche Verteiler, alles sieht gleich aus. Dabei scheint das Kalkül zu sein: Mehr E-Mails in den Inboxen von Journalist gleich mehr Reichweite. Du redest mit vielen Journalisten. Wie ist das denn wirklich?

Melanie: Journalisten ertrinken in der Flut. Ihre Boxen quellen über vor Mails. Und selbst gute Geschichten können sie aus Zeitnot nicht immer machen. Also welche Chancen hat realistischerweise ein Start-up? Irgendjemand sehr Berühmtes in der Start-up-Szene hat mal gesagt: „Junge Unternehmen! Rennt nicht so auf Konferenzen um, sondern konzentriert euch auf euer Kerngeschäft.“ Dabei berate ich zunehmend in dem Sinne, dass ich zu Unternehmern sage: Wollt ihr euch nicht mit dem und dem treffen?“ Denn „Public Relations“ sind ja erst einmal öffentliche Beziehungen – in den Markt, zu der Presse. Auf Konferenzen kann man mit Partnern Vorträge halten: Es ergeben sich immer Möglichkeiten, Beziehungen aufzubauen. Dabei reicht es, einmal mit einer fundierten Aussage auf den Radius eines Journalisten zu kommen. Da kann man dann sehr viel machen. Aber diese ganzen automatisierten Sachen – „Mehr hilft mehr“ – sind (gelinde gesagt) nicht förderlich.

Alex: Obwohl bei diesen ganzen E-Mails von nigerianischen Prinzen denkt man auch immer: „Wer fällt denn bitte darauf rein? So doof kann doch gar keiner sein!“ Aber die Quote von Leuten, die tatsächlich Geld überweisen, ist erstaunlich hoch. So ist das zu so einem großen Geschäft geworden. Deswegen kann ich mir gut vorstellen, dass das auch bei Journalisten funktioniert. So ein Spiegel- oder Handelsblatt-Redakteur mag zwar Zeit haben, sich um eine Geschichte zu kümmern. Bei anderen Blättern freut sich vielleicht der eine oder andere über eine druckfähige Geschichte mit einer catchy headline.

Melanie: Catchy headlines sind auch wichtig. Allerdings divergiert das Gefühl dafür, was eine ansprechende Überschrift ausmacht, sehr stark. Und wenn ich irgendwo „digitale Transformation“ und „disruptiv“ zusammen lese – für gewöhnlich in Pressemitteilungen oder Advertorials – schalte ich schon ab. Das ist nicht catchy. Und wenn man die Medien liest, in die man hinein will, kann man auch als kleines Start-up wissen: „Wenn ich jetzt Büromöbel, KI und Blockchain alles versuche zu unterbringen, könnte das ein bisschen viel sein!“

Eine echte Geschichte dahingegen wäre, dass ich als erster Büromöbelhändler mitten in der Digitalisierung ein Konzept für einen nicht-digitalen Raum anbiete, wo kein Smartphone und kein Computer funktionieren. Das nur so als Theorie: Es wäre eine konkrete, lokale, interessante Geschichte.

31:20

(Melanie und Alex fachsimpeln über die immer größer werdenden Finanzierungsrunden im Silicon Valley und auch in Europa: Selbst mit millionenschweren Erfolgen errege man keine Aufmerksamkeit mehr.

Danach stellt Alex die Frage nach der Ethik in der PR: Würde Melanie mit einem Start-up zusammenarbeiten, das durch Blockchain kontrollierte Waffen herstellt? Schließlich würde die Blockchain dazu führen, dass sie nicht in falsche Händen geraten: Das habe was Positives! Bei ihr greife die Ethik noch gut vor Waffen, antwortet Melanie. Wenn sie mitkriegen würde, Mitarbeiter würden schlecht behandelt würden, reichte das als Grund. Am Öftesten komme es aber deswegen nicht zu einer Zusammenarbeit, weil schon bei der Anfrage klar wird, dass nicht seriös gearbeitet werde. Wenn mal alles angeblich wahnsinnig schnell gehen müsse – und man dann Monate lang nichts mehr hört. Wenn nicht mal ein ordentliches Briefing angeboten wird.)

34:55

Alex: Und wie sieht eine Zusammenarbeit konkret aus? Kann man PR für ein Start-up an einem Tag in der Woche machen oder bietest du ein Workshop an?

Melanie: Eins vorweg: Start-ups, die eine gute Arbeit haben möchten, müssen dafür ganz normal bezahlen, wie andere Menschen auch. Das habt ihr vom Anfang an getan: Ihr habt Arbeit wertgeschätzt, was ganz wichtig ist.

Alex: Was wird dir sonst angeboten? Anteile?

Melanie: Nein, aber diese Bootstrap-Mentalität: „Dieses Jahr haben wir nur 500 Euro, aber vielleicht können wir was für dich tun…“ Aber wenn einer mir kommen und sagen würde: „Wir machen Büromöbel mit KI und Blockchain“ und ich habe nach einer halben Stunde immer noch nicht verstanden, wie das Geschäftsmodell eigentlich funktioniert, geschweige denn, welche Rolle sie am Markt einnehmen wollen… Dann würde ich vorschlagen, dass man mit so einem Tages-Workshop anfängt. Ein Tag Vorbereitung, ein Tag Workshop, ein Tag Nachbereitung: Da bewegen wir uns im unteren vierstelligen Bereich.

In der Phase nach einer Series-A-Finanzierung, wo ich ja typischerweise einsteige, haben viele Start-ups aber schon ein Konzept fürs Messaging sowie Fotos und andere Basics: Da kann man deutlich schneller zusammenkommen. Aber gerade am Anfang ist es immer wichtig, dass man sich länger austauscht und etwas Zeit in Presserecherche investiert. Zwar würde ich keinem Start-up zu dicken Retainern raten, aber paar Tage im Monat sollten es schon sein.

37:00

Alex: Wie sieht denn deine Beziehungspflege mit Journalisten konkret aus? Bietest du Hintergrundgespräche an, um sie über den Markt zu informieren? Oder haben Journalisten zu bestimmten Themen immer ihre festen Ansprechpartner?

Melanie: Wenn man wahrgenommen wird als jemand, den man zu gewissen Themen anrufen kann, ist das ein Luxus. Der Gesprächspartner muss das Gefühl haben, dass man wirklich informiert und nicht nur seine drei Hauptkunden vermarkten will – und genauso versuche ich zu arbeiten.

Alex: Deswegen ergibt es für dich Sinn, mehr als einen Kunden zu haben.

Melanie: Richtig. Ich möchte ein Netzwerk haben. Ich vermittele ja auch Menschen, die mich nicht bezahlen. Das stärkt meine Beziehungen. Ich vernetze auch Start-ups, die ich entdeckt habe und gut finde, mal so untereinander.

Alex: Wie entdeckst du denn Start-ups?

Melanie: Auf Konferenzen, aber auch über Nachrichten: Ich gucke mir an, was sie für Interviews geben und wo sie erscheinen. Investoren sind eine weitere Quelle: Ich arbeite mit ja welchen zusammen.

(Daraufhin kommen Melanie und Alex zur Frage der Journalisten-Kontaktpflege zurück. Melanie schildert, wie sie auf einer sachlichen Ebene arbeitet – sie sei nicht der Typ für Bussi-Bussi-PR – und daher nicht ständig Journalisten zum Essen einlädt oder so ähnliches. Danach bittet Alex sie, aus dem Nähkästchen zu plaudern.)

40:50

Alex: Erlebst du denn in der deutschen Gründerszene denn große Faux-pas? So Gründer-Interviews wo du dir denkst: „Boah, der hätte mal ein Coaching gebraucht!“

Melanie: Absolut. Davon gibt es bekannte Beispiele. Bei N26 etwa kam es mal zu einer schweren Krise mit Konto-Kündigungen und dergleichen mehr. Als das Handelsblatt dann Fragen ans Unternehmen stellte, war die Antwort: „Diese Fragen gefallen uns nicht. Können sie bitten neue schicken?“ Da hat jemand Journalismus nicht verstanden! Und in so einer Situation ist das wirklich gefährlich.

Und das ist der Kern: Authentische Gründer können ruhig sehr offen reden, aber man muss den Journalismus in seiner Rolle als vierte Gewalt verstehen. Es handelt sich nicht um ein Marketing-Instrument, in das man was hineingießt und das es dann verteilt. Presserecht muss man auch kennen.

Was ich auch oft denke: „Da steckt doch mehr drin! Das ist verschenktes Potenzial hier.“ Oder umgekehrt: „Hoppla, das war ein bisschen mutig. Ich wäre an der Stelle nicht so weit gegangen…“

(Zum Ende hin geht es darum, wie das Thema Pressemitteilungen und -downloads bei Spryker gehandhabt wird: Statt einem klassischen Newsroom pflegt Spryker ein Blog und nutzt Social-Media-Kanäle. Melanie stimmt zu, dass diese Download-Bereiche nur von begrenztem Nutzen sind. Immer wichtiger würden Netzwerke wie LinkedIn oder Xing, die mittlerweile auch redaktionelle Inhalte aufbereiten und verbreiten.

Zum Schluss erinnert sich Alex an das erste Treffen mit Melanie zurück und resümiert seine Learnings aus der Zusammenarbeit: Er und sein Team hätten sehr lange gebraucht, um sich von der Innensicht zu befreien. Alex stellt eine zweite Ausgabe mit Fragen von Zuhörern in Aussicht. In der Zwischenzeit könne man Melanie direkt unter [email protected] erreichen.)

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