Elegant man using cologne or perfumeIn diesem Beitrag möchte ich gerne am Beispiel von Douglas diskutieren ob & wie ein bisher anlog geprägtes Handelsunternehmen eine Plattform werden kann. Douglas ist in vielerlei Hinsicht ein spannender Case für diese Diskussion, weil es sich nach dem Verkauf an CVC 2015 ganz klar im Sinne der neuen Eigentümer entwickeln muss (Wachstum + Rendite). Zudem ist Douglas auch noch sehr dominant in der eigenen Kategorie und hat mit knapp 400m Euro E-Commerce Umsatz 2017 bereits jetzt schon ein Wörtchen mitzureden. Mit den Ausgangswerten hat man doch alles, um eine Plattform zu werden, oder? Warum analoge Händler zur Plattform werden müssen, habe ich in den Beiträgen „Handel 2025: welcher Handel?“ und „Das 1×1 der Plattformökonomie“ hergeleitet.

Douglas Fakten

Mit ca. 2,7 Mrd. Euro Umsatz pro Jahr bei knapp 13% EBITDA Marge sieht sich Douglas recht gut aufgestellt. Dazu tragen 2.000 Filialen in 19 Länder und 20.000 Mitarbeiter bei. Im Vergleich zu anderen analogen Handelsunternehmen (P&C, Thalia…) ist das auch sehr gut. Allerdings wächst Douglas kaum noch und wenn, dann im Wesentlichen durch Zukäufe und Investments in das analoge Handelsmodell. Sie kaufen also stationäre Handelsflächen zu. Mein Kollege Nils (Digitalkaufmann) hat sich die Zahlen vor ein paar Wochen schon mal angeschaut und erkennt, dass Douglas klar hinter den eigenen E-Commerce Ambitionen liegt und dort zunehmend langsamer wächst. Ergo müsste Douglas den bestehenden Umsatz in Zukunft verstärkt durch Zukäufe schützen. Douglas hat eine sehr spezielle Sicht auf das Thema E-Commerce. Sie sehen den „Kanal“ als Cash Cow. Das ist zum einen sehr schön (Geld verdienen und so…) auf der anderen Seite zeigt das aber auch, dass sehr viele Spezialeffekte zu dieser Entwicklung beitragen. Angefangen bei der Frage wie & ob Filialkosten (Verkaufskosten) in den E-Commerce Umsatz eingerechnet werden bis hin zur Feststellung, dass Douglas bei der gezeigten Entwicklung dummerweise sehr wenig Geld in die Neukundengewinnung gesteckt haben dürfte (vs. Flaconi…) und so nur den Shift der eigenen Kunden von Offline zu Online fördert.

“Our online shops have been an important source of profitable growth in the past few years and our results of operations have been positively influenced by the on-going trend towards e-commerce and omni-channel distribution. In the financial year 2014/2015 our e-commerce sales amounted to €261.0 million, corresponding to 10.0 percent of our total sales. In the financial year 2015/2016, our e-commerce sales increased to €324.2 million, corresponding to 12.0 percent of our total sales. Compared to the financial year 2014/2015, our e-commerce sales grew by 24.3 percent. […] We believe that there is potential for the e-commerce sales’ share of our total sales to continue to rise which we believe would have a positive impact on the profitability of our business.”

Da lohnt sich noch kurz der Blick auf die Douglas Strategie, bzw. dem was Douglas auf der eigenen Webseite dazu sagt:

Die Wachstumsstrategie von Douglas basiert im Wesentlichen auf vier tragenden Säulen: führendes Multichannel-Angebot, attraktives und innovatives Produktportfolio, geographische Expansion und operative Exzellenz. Gemeinsam dienen diese vier Grundpfeiler Douglas als Wachstums- und Profitabilitätstreiber im Fachhandel für hochwertige Beauty- und Kosmetikprodukte – dem attraktivsten und am schnellsten wachsenden Segment im europäischen Beauty-Markt.

Das ist so eine Art Anti-Plattform Statement, aber ok. Lasst uns das mal offen diskutieren.

Was macht eine Plattform aus?

Im Artikel zum Handel 2025 habe ich grob beschrieben, warum ich nicht mehr an horizontale Handelsmodelle glaube, aber um dieses Argument klar zu machen versuche ich mich mal an einer Abgrenzung zwischen den einzelnen Modellen.

Vertikale Handelsmodelle zeichnen sich dadurch aus, dass sie sowohl die Produktion als auch den Handel kontrollieren. Sie sind „vertikal integriert“. Gängige Beispiele für solche Modelle gibt es in vielen Branchen. Da wären z. B. große Modeunternehmen wie Zara, aber auch IKEA gehört in diese Kategorie oder z.B. Decathlon. Diese Modelle verstehen es idR sehr gut (ab einer gewissen Größe) den Kundenzugang über eigene Läden zu kontrollieren und die Margen zu optimieren, weil sie offensichtlich auf Zwischenhändler verzichten können. Per se ein sehr cooles Modell, aber es funktioniert nicht in allen Branchen und in Zeiten der Plattformökonomie ist es fraglich, ob man so etwas in Zara ähnlicher Größe noch mal aufbauen kann. Das fragt sich nun auch Douglas.

Horizontale Handelsmodelle wollen hingegen nur den Kundenzugang kontrollieren und möglichst wenig mit der Produktion zu tun haben. Diese Modelle stehen gerade erheblich unter Druck. Beispiele dafür sind Karstadt, Kaufhof, P&C, Mediamarkt und viele andere. Größere horizontale Handelsmodelle versuchen sich in der Beimischung von vertikalen Erlösströmen, indem sie z. B. Eigenmarken produzieren lassen und diesen auf der eigenen Plattform handeln. Es gibt weltweit allerdings kaum Beispiele dafür, dass diese vertikalen Eigenmarken den Sprung auf den freien Handelsmarkt geschafft haben, also außerhalb des eigenen Vertriebsmantels. Die Probleme dieser Handelsmodelle kommen im Wesentlichen aus zwei Richtungen. A) Es gibt in den meisten Regionen einen beträchtlichen Überschuss an Handelsflächen und damit einen Überschuss an Anbietern und B) die Kunden werden zunehmend über digitale Interfaces gewonnen und gebunden (Smartphone, Voice, Desktop…) und in diesem Bereich haben die „analogen“ Anbieter bisher keine Antworten finden können.

Moderne Plattformen funktionieren im Grunde ähnlich wie horizontale Handelsmodelle. Sie wollen den Kundenzugang kontrollieren und möglichst wenig mit der Produktion zu tun haben. Im Gegensatz zu den klassischen (analogen) Handelsmodellen ist der Zugang zu den Kunden aber derart dominant, dass es in der jeweiligen Kategorie bei ausentwickelten Plattformmodellen kaum noch relevanten Wettbewerb gibt und so die Erlöse nicht mehr aus dem Handelsgeschäft stammen, sondern aus dem sogenannten Servicegeschäft bei dem der Kundenzugang an andere Händler und Hersteller vermietet wird. Oft werden die Serviceeinnahmen im Auktionsverfahren optimiert, in dem mehrere Hersteller/Händler um den gleichen Kunden bieten. Prominente Beispiele sind hier natürlich Amazon (seit ca. 2011), Google (seit 2003), Alibaba und Facebook. Es gibt bisher wenig Studien darüber wie Plattformen wirklich entstehen, aber es gibt deskriptive Faktoren die ihnen gemeinsam sind. Hohe Besucherfrequenz, Kategoriedominanz (Monopolneigung) und Softwareanteil (über 50% der Mitarbeiter arbeiten in der IT/Softwareentwicklung).

Nun gibt es je nach Branche, Digitalisierungsgrad und Alter des Unternehmens diverse Mischformen und auch die eben genannten Unternehmen mischen die einzelnen Handelsformen sehr schön durch. Ich habe das frei nach Schnauze für die folgenden sechs Beispiele aufgemalt. Aus meiner Sicht ist davon IKEA sehr klar nur vertikal unterwegs. Die „dicke“ der Linien stellt dabei die Abhängigkeit von den einzelnen Handelsformen dar. Die Anzahl der Striche stellt die Anzahl der Kanäle/Marken für die Handelsformen dar. Soweit zumindest mein 10min Powerpointergebnis. Das kann man sicherlich noch schöner machen.

Plattformen-Kassenzone

 

Warum sollte Douglas eine Plattform werden?

In diesem Punkt dürfte es verschiedene Sichten geben und ich bin mir gar nicht sicher, ob der Investor von Douglas bei der aktuellen Performance überhaupt ein Problem sieht. Welche Herausforderungen hat Douglas denn überhaupt? Jochen Krisch hat wie immer fleißig vorgearbeitet und einige bereits im Detail dokumentiert.

  • Auch wenn die Umsatz- und Renditezahlen in Summe sehr gut sind (aus Investorenperspektive) lässt sich leider auch für Douglas nicht verhindern, dass die Filialumsätze rückläufig sind. Und dieser Umsatzrückgang kann nicht durch die sehr zögerliche Onlinestrategie aufgefangen werden. Die fehlenden Besucher in den Läden kann man m. E. nicht mal Douglas zur Last legen, aber wenn um den Douglasstore herum die bereits stärker unter Druck stehenden Handelskonzepte Insolvenz anmelden müssen oder einfach Stores schließen, dann fehlt auch für Douglas ausreichend Masse in der Stadt. Ergo: Die Filialen verlieren in den nächsten Jahren erheblich am Umsatz, weil die Innenstadt in der aktuellen Form stirbt.
  • Während auf der einen Seite Kunden verloren gehen, muss Douglas auf der anderen Seite die Margen mit weiteren Eigenmarken schützen, was den bestehenden Herstellern sicherlich übel aufstößt. Es ist aber extrem schwierig erfolgreiche Eigenmarken zu entwickeln, insbesondere unter Druck gelingt das nur wenigen Händlern. Auch die Gehversuche mit Influencerkampagnen oder dem Aufbau einer eigenen Community tut sich Douglas schwer. Zumindest ist es das, was ich von außen sehe. Erfahrungsgemäß passt die Entwicklung von starken eigenen Marken nicht in das Controllingkorsett eines auf Quartalsbasis gesteuerten Handelsunternehmens.
  • Das führt direkt zum dritten „Problem“. Die großen Markenhersteller arbeiten natürlich an eigenen Plattformstrategien, weil sie auch gemerkt haben, dass Douglas (bisher) keinen Zugang zu neuen Kundengruppen bieten kann und auch keine Strategie vorgestellt hat, wie das in Zukunft anders werden soll. Es passiert sogar das Gegenteil; in den Strategiegesprächen zwischen Douglas und Herstellern wird weiterhin plump die Multichannelstrategie beworben und parallel mit bisher nicht dagewesenen Rabattaktionen um Endkunden gebuhlt. Als würden bei den Markenherstellern nur ein paar digital rückständige Markenexperten arbeiten. So oder so wird bei denen aber sehr intensiv investiert in eigene Shops, in Amazon und vieles mehr, um den direkten Kundenzugang zu gewinnen.

Mittel- bis langfristig müsste sich Douglas aus meiner Sicht diesen Problemen annehmen, um weiter zu wachsen. Ich weiß aber nicht, ob die Halteperspektive des Investors das überhaupt hergibt, oder ob der Douglas in 1-2 Jahren wieder an die Börse bringen will oder an einen anderen PE verkaufen möchte. In diesem Fall braucht sich Douglas sicher nicht die Mühe zu machen über eine Plattformstrategie nachzudenken. Da reicht es aus (wie bisher) ein paar Euro in die Multichannelfähigkeit der Kundenkarte zu investieren.

Was kann Douglas tun?

Gehen wir erst einmal davon aus, dass die Perspektive wirklich langfristig ist, Budget für Experimente bereitgestellt wird und die Voraussetzungen für den Aufbau eigener Technologiekompetenz da sind, dann muss man im Fall von Douglas gar nicht so sehr in die strategische Trickkiste greifen. Das Ziel muss es ja sein die #1 Anlaufstelle für Markenhersteller zu bleiben, wenn es darum geht ihre Produkte in den Markt zu geben bzw. einfach abzuverkaufen. Douglas ist heute auch noch stark genug, um auf die Amazonstrategien der Hersteller einzuwirken, wobei sich dieses Zeitfenster in Kürze schließen dürfte. Ich würde Douglas daran messen wie schnell sie es schaffen nachhaltige Serviceumsätze zu entwickeln, also den Markenherstellern Leistungen zu verkaufen, die vom DB1 der Ware losgelöst ist. Beispiele für so etwas sind für mich:

  • Werbeerlöse auf den Douglas Plattformen, bei denen Hersteller Werbung schalten können
  • Aufbau eines eigenen Influencerprogramms inkl. eigener Applikationen, dessen Reichweite an Marken verkauft werden kann
  • Aufbau von Trackingkompetenz über Douglas hinweg, um Marken ggf. auf Tagesbasis Daten liefern zu können auf welcher Plattform (auch Amazon), in Region X zu Zeit Y die Produkte gut/schlecht laufen, um daraus Ableitungen für die WKZ Aussteuerung treffen zu können
  • ….

Die Operationalisierung ist gar nicht so schwierig. Man kann ohne weiteres 10-30 dieser Modellthesen bilden und muss diese möglichst schnell (2-4 Monate) umsetzen und Daten dazu sammeln. Wenn man das oft genug macht, kommen ausreichend neue Erlöskanäle dazu. Die Thesen die man in Richtung Markenhersteller bildet muss man natürlich auch in Richtung Kunde bilden. Das fängt an bei Zerlegung der Zielgruppe in dutzende Kohorten und Formulierung von Optionen für jede einzelne Kohorte bis hin zum ganz „normalen“ operativen Geschäft bei dem dann halt auch mal der Service für die Kundenkarte verbessert werden muss. Da sich bisher kein Hersteller mit seriösen Plattformambitionen hervorgetan hat, bleibt aus meiner Sicht für Douglas noch genug Zeit operativ in so einen Test & Learn Modus umzusteuern. Die strategischen Todos, wie z.B. exklusive Vertriebsvereinbarungen, Gebietsschutz, Plattformkooperationen mit Tencent/Alibaba bleiben davon unbelassen. Die muss man auch angehen, aber das dauert deutlich länger.

Warum ist dafür Technologiekompetenz so wichtig? Ich habe das mit meinem Co-CEO Boris Lokschin im Podcast besprochen. Fast alle Maßnahmen führen dazu, dass es etwas „programmiert“ werden muss. Es geht nur ganz selten um Hardwareprodukte, z. B. einen neuen Duft. Wenn also noch vorne raus die Wertschöpfung über Software herstellt werden muss, dann braucht man sehr viel Technologiekompetenz. Wie da Douglas im Detail aufgestellt ist, weiß ich nicht. Was ich bisher bei Douglas gesehen habe, hat nur auf das klassische Multichannelmodell eingezahlt. Die Technologiekompetenz wird auch für viele strategische Optionen nötig sein, weil man z.B. so viel schneller als die Markenhersteller eine native Anbindung an Alibaba herstellen kann.

Das größte Risiko für Douglas ist Douglas selbst. Fast alle der Optionen die man sich ausdenkt sind risikobehaftet. Niemand kann heute sagen was davon morgen funktioniert. Aber der Finanzvorstand könnte jederzeit sagen, dass man 1 Mio. mehr auf dem Konto hat, wenn man eine 1 Mio. weniger ausgibt. Mal schauen was Tina Müller daraus macht.

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