Im bislang fünften Interview mit Florian Heinemann dreht sich alles um die Frage, ob die Bewertungen für digitale Unternehmen noch fair sind und was das mit einer Blase zu tun hat. Walmart kauft für 3,3 Milliarden Euro jet.com, Delivery Hero will an die Börse und hunderte von Millionen einsammeln. Für „kleine“ E-Commerce Geschäfte müssen B2B & B2C Konzerne enorme Summen zahlen nach klassischen Investitionsregeln. Kann das alles noch richtig sein? Insbesondere analoge Unternehmen tun sich mit der Bewertung von solchen Unternehmen noch sehr schwer. Florian erklärt, warum aus seiner Sicht die klassische Sicht auf Umsatz und Ertrag zu kurz gesprungen ist und wie digitale Konzerne (Facebook, Zalando…) bei der Bewertung von Unternehmen vorgehen.

Auffällig dabei ist, dass es nun mindestens drei Bewertungsdimensionen gibt, die dazu führen können, dass kleine profitable E-Commerce Unternehmen weniger wert sind, als größere, deutlich unprofitablere Unternehmen. Wir versuchen das im Interview anhand der gängigen Beispiele im Markt herzuleiten. Allen voran natürlich die Walmart Akquisition von jet.com. Zusammengefasst gibt es drei relevante Dimensionen:

  • Umsatz & Ertrag (ggf. gekoppelt mit Synergieeffekten beim Käufer)
  • Team (Kompetenzen, Motivation, Bindung)
  • Zeit (Wie viel Zeit spart der Käufer mit einer Akquisition im Vergleich zu möglichen Alternativen)

Der Faktor Zeit wird aus Sicht von Florian immer wichtiger. Wenn ein klassisches Unternehmen mit 500 Mio. Euro Umsatz nicht mehr wächst bzw. online nicht wächst, aber das entsprechende Marktsegment (z.B. B2B Produkte) gleichzeitig 20% im E-Commerce wächst (z.B. über Amazon), dann muss so ein Unternehmen früher oder später auf ähnliche Onlinewachstumsraten kommen. Angenommen der Markt ist wie folgt verteilt: 10% des Marktes werden schon online gehandelt und dieser wächst mit 20%. Dann gilt für das 500 Mio. Unternehmen, dass es auch mind. 10% * 500 Mio. * 20% pro Jahr im E-Commerce wachsen muss, um langfristig relevant zu bleiben. Das wären in dem Fall 10 Mio. Euro pro Jahr oder 40.000€ pro Arbeitstag. Jeder Arbeitstag in dem das Unternehmen nichts umsatzrelevantes macht (also z.B. nur die Strategieplanung 2025 & eine Reise ins Silicon Valley) „verliert“ es 40.000€. Das sind die Opportunitätskosten. In diesem Fall könnte es sinnvoller sein ein defizitäres E-Commerce Unternehmen zu kaufen, alleine um die Opportunitätskosten abzudecken. Das gilt nicht für jeden Markt und für jedes Geschäftsmodell, aber die Idee finde ich sehr spannend. Hört mal rein. Ich bin gespannt auf euer Feedback.

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E-Commerce-Blase(?) mit Florian Heinemann, Project A Ventures

Florian ist zum fünften Mal bei Alex zu Gast. Sein beliebtester Auftritt bislang: „Digitalisierung zum Festpreis“. Auch tausendfach runtergeladen: „Investieren mit Geld-Zurück-Garantie“. Heute geht es darum, ob wir uns bei den teilweise astronomischen Bewertungen von E-Commerce-Firmen in einer Blase befinden. Gründungspartner bei Project A Ventures, Florian betreut die Bereiche Consumer Internet und Digitale Infrastruktur beim Berliner Frühphaseninvestor. Project A zeichnet sich neben dem geldwerten Investment durch einen sehr gut ausgebauten Support für junge Unternehmen aus.

„Ich tue mich mit Monster-Akquisitionen schwer, wenn nicht klar ist, was da gekauft wird“   

3:00

Alex: Gefühlt jede Woche gerade kommt einen neue Übernahme-Meldung – und für viele damit die Frage: „Warum zahlt man überhaupt für eine Firma, die noch nie Gewinn gemacht hat, mehr als einen Euro?“ Dieses Thema haben wir im Podcast „Investieren mit Geld-Zurück-Garantie“ ein wenig aufgegriffen. Jetzt wollen wir ausführlicher darauf eingehen.

Erste Frage also: Was kauft man eigentlich heute, wenn man ein E-Commerce-Unternehmen – sei es ein Technologie-Anbieter, ein Händler, oder ein Hersteller – kauft?

Florian: Es gibt verschiedene Motivationen. Traditionell kaufte man sich Umsatz – idealerweise mit ein wenig Gewinn versehen. Darauf basierten Bewertungen. Das Spektrum hat sich aber erweitert: Man holt sich häufig Kompetenzen oder wissensbasierte Assets. Die muss man anders bewerten. So ist die Frage nicht mehr: „Was ist dieser Asset im Start-up wert?“ sondern viel eher: „Was wäre er wert, wenn er auf ein viel breiteres Corporate-Fundament draufgeschnallt wäre?“ Ohne jetzt wirklich Listen geführt zu haben, würde ich behaupten, dass das was Facebook und Google gerade machen, genau diese Kompetenz-Akquisition ist.

Alex: Heißt das aber dann, dass, wenn ich für eine 100-Millionen-Umsatz-Firma mit 50 Mitarbeitern 100 Millionen Euro ausgebe, ich zwei Millionen Euro pro Mitarbeiter investiere?

Florian: Nehmen wir mal den Zukauf durch Google von DeepMind: 500 Millionen für 40 auf den Bereich Machine Learning und Artificial Intelligence spezialisierte Ingenieure. Ganz tolles Knowhow – und so ist es in dem Fall zutreffend zu sagen, dass man wirklich bewusst 12,5 Millionen Euro pro Mitarbeiter ausgegeben hat.

Bei anderen Firmen, die etwas weiter sind und Geschäfte schon betreiben, ist das nicht mehr so eng zu sehen: Je weiter fortgeschritten in Richtung einer Produktierung, desto weniger trifft die Formel Kaufpreis pro Mitarbeiter. Man guckt eher, was die Leute zusammen geschaffen haben – und was sie mit den Ressourcen eines Corporates schaffen könnten.

06:25

Alex: Okay, klassisch Make-or-Buy, also. Viele Unternehmen, mit denen wir in Kontakt treten, fragen sich: Lieder ein Unternehmen für 10-50-100 Millionen Euro kaufen, als selber entwickeln? Vor einigen Jahren sprachen nur Springer oder Otto von neunstelligen Beträgen; mittlerweile tun das auch große Mittelständler. Allerdings handelt es sich für viele gleich dabei um ihr erstes großes digitales Investment. Aber ergibt es überhaupt Sinn, das im Gegensatz zu Make zu betrachten?

Florian: Wenn es um Kompetenzen geht, dann ist Make-or-Buy extrem relevant. Denn man sollte sich schon fragen, ob man doch nicht das Know-How, was man mit dem Zukauf erwirbt, mit eignen Ressourcen aufbauen könnte. Allerdings muss man Realist bleiben: Kann man das überhaupt mit den eigenen Mitarbeitern? Und geht das in einer angemessenen Zeit?

Wenn selbst Google und Facebook zu dem Schluss kommen, dass es für sie effizienter ist, alle zwei Wochen ein Start-up als „Acqui-Hire“ (Kauf-Heuer) zu schlucken, obwohl sie über einen großen Stamm an IT-lern und Ingenieure verfügen, dann sollten sich andere Unternehmen das mit dem Selbermachen erst recht überlegen. Meiner Meinung nach entscheiden viel zu viele Corporates falsch, wenn sie glauben, selber schnell dorthin kommen zu können, wo sie sein müssten.

Alex: Woraufhin dir der Corporate bestimmt sagt: „Aber Herr Heinemann, wir sind nicht Google. Wir wollen nicht in KI oder VR investieren! Wir wollen nur einen guten Online-Shop haben! Warum sollen wir dann ein defizitäres Unternehmen kaufen? Können wir das nicht bei uns aufbauen oder schlimmstenfalls einen Standort in Berlin aufmachen?“

Florian: Das kann man schon probieren. Aber man muss realistisch sein: Ist man wirklich in der Lage, mit den eigenen Mitarbeitern zu einem Punkt zu kommen, der in drei-vier Jahren noch zukunftsfähig ist? Das Problem dabei: Das Konkurrenzprodukt von Heute wird oft zum Ziel-Bild für Morgen gemacht. Wer sich ans aktuelle Zalando-Produkt oder Otto.de orientiert, verkennt, dass sie in drei Jahren viel weiter sind. So ist die richtige Frage nicht: Wie erreiche ich den Stand von Zalando heute? Sondern: Wie erreiche ich den plus – plus Mobile-App, plus Voice (Stichwort Alexa) und GoogleHome? Dash-Button auch? Die Anforderungen müssen sich an die Zukunft orientieren.

Dann muss man sich fragen: Werde ich als Corporate mit sehr wenig Track-Record und ohne die Möglichkeit, attraktive Beteiligungsmodelle anzubieten, wirklich gutes digitales Talent ans Land ziehen können? Kann ich diese Leute identifizieren, für mich gewinnen – und dann noch halten? Und dabei weiß die eigene Personal-Abteilung nicht wirklich, wonach sie eigentlich suchen soll. All das unterschätzen Corporates sehr häufig.

11:30

Alex: B2C ist schon ein sehr schwieriges Umfeld. Könnte sich aber ein B2B-Unternehmen vielleicht zwei-drei Jahre Zeit lassen?

Florian: Ich glaube, es wird in der Industrie nicht so lange dauern. Das Wissen ist ja schon im B2C vorhanden und wird sehr schnell rüberschwappen. Und man darf nicht vergessen, dass der interne Know-How-Aufbau Jahre dauert. Das sehe ich immer wieder bei unseren Start-ups, bei denen wir sehr frühphasig investieren. Wir wissen, wie man ein Data-Warehouse und ein ordentliches CRM-System baut – und trotzdem braucht man eben zwei-drei Jahre, bis man für das jeweilige Geschäft auf dem Stand ist.

Dabei starten unsere Leute von einer guten Ausgangsbasis. Bei anderen Voraussetzungen kann sich der Aufbau von internem Know-How in die Länge ziehen. Zumal sich Corporates teilweise sehr schwer tun damit, zu entscheiden, ob sie überhaupt auf dem richtigen Weg sind. Die Beurteilung eines digitalen Geschäftsmodells in der frühen Phase erfordert ein ganz anderes Controlling: Traditionelle Ansätze passen schlecht auf digitale Start-ups. Die Otto-Group controllt schließlich ein AboutYou anders als so ein BonPrix – zu Recht! Aber das will erstmal gelernt werden.

(Florian führt weiter aus, welche Probleme sich ergeben können, wenn sich etablierte Unternehmen fürs Selbermachen entscheiden. Viele würden am Ende der Reise bereuen, nicht am Anfang einfach paar Millionen für eine Übernahme in die Hand genommen zu haben.

Alex fasst zusammen: hier seien Umsatz und Ertrag nicht unwichtig, müssten aber in der Bewertung mit Kompetenzen und deren Potenzial nach Integration im eigenen Geschäft sowie – entscheidend: –dem Zeitvorteil ergänzt werden.

Florian wirft einen weiteren Aspekt ein: Selbst wenn nur zwei oder drei Personalien in einer Belegschaft von 15 nach der Übernahme bleiben und sich ins Unternehmen integrieren, kann sich die Akquisition langfristig lohnen. Wenn das die richtigen Leute sind, hat das für einen Mittelständler eine echte Relevanz.)

16:25

Alex: Gesetzt mal den Fall, dass ich ein schon profitables Unternehmen kaufen kann – 10 Millionen Euro Umsatz, 20-30 Mitarbeiter – oder ein deutlich größeres, das bei 100 Millionen Euro Umsatz noch keinen Ertrag vorweisen kann oder sogar minus macht. Wie wichtig ist das ein bisschen vorhandenes EBITDA gegen verheißungsvolles Potenzial und interessante Mitarbeiter?

Florian: Als Corporate, der ich mir relevanten Zuwachs oder Quer-Einflüsse verspreche, wäre für mich der Umsatz gar nicht so relevant. Da würde ich mich viel eher fragen: Haben die Leute ein eigenes Tech-Team? Was für eins? Arbeiten die mit modernen Programmiersprachen? Gibt es so etwas wie BI? Haben ein eigenes Data-Warehouse aufgebaut?

Es gibt Start-ups, die mit einer Reihe von externen Tools arbeiten und quasi virtuelle Businesses darstellen. Man findet Amazon-basierte Geschäfte, die relevanten Umsatz und EBIT einfahren. Nun: Die Fähigkeit, über Marketplaces Umsatz zu erzielen, ist interessant. Sich dennoch ein profitables, aber Amazon-basiertes Online-Handel-Geschäft in der Größe 60 Millionen Euro zu kaufen, um als Mittelständler E-Commerce-Kompetenz reinzuholen, wäre zu kurz gesprungen. Derjenige, der das mit eigenen Tools versucht, wäre mir mehr wert.

Die Frage ist, wie man das preist. Wenn Umsatz schon vorhanden ist, wird der naturgemäß berücksichtigt. Verständlicherweise tun sich aber viele M&A-Abteilungen dann mit der Frage schwer, wie man dann Kompetenzen bewertet. Für mich sind beide attraktiv, aber letztere sind relevanter.

19:10

Alex: Dann schauen wir uns mal ein paar konkrete Cases an. Jet.com, zum Beispiel, der innovative Amazon-Herausforderer aus US, der jetzt von Walmart für 3,3 Milliarden Dollar akquiriert wurde. Im Akquisitionsmonat machten sie rund 80 Millionen Dollar Umsatz. Gründer Mark Law ist jetzt der große E-Commerce-Guru bei Walmart.

Der Fall ist eigentlich der Ursprung der Blasen-Diskussion: Walmart muss drei Milliarden in die Hand nehmen – für ein super-defizitäres Business, das sie vielleicht gar nicht weiterbetreiben? Echt jetzt?

Florian: Meine erste Reaktion war schon, mich ein Stück weit zu wundern: Nach meinem Verständnis verfügt das Unternehmen weder über einen besonders hohen Eigenmarkenanteil noch stabile Kohorten – wie denn? Gibt es noch nicht so lange. Als Händler von Drittmarken liegst du üblicherweise bei 4-10% EBIT. Und ob diese Preisanpassungstechnologie, mit denen viele das rechtfertigen, wirklich so revolutionär ist, kann ich nicht beurteilen. Da müsste man genauer reinschauen. So halt ich das in erster Linie für eine sehr teure Akqui-Hire: Law ist sicherlich ein Typ, der sich gut vermarkten kann – was in Amerika häufig dazugehört.

Aus Walmart Sicht und mit dessen Ressourcen tut sich für mich schon die Frage auf, ob es doch nicht besser gewesen wäre, sich eine gute BI-Bude zu holen, die es trotz guten Teams noch nicht zu einer großer Relevanz gebracht hat. Für 30 Millionen Dollar gibt es davon bestimmt einige in USA. Dito: CRM Start-up mit guter Technologie und echter Product-Ownership. Das hätte ich dann alles in meine Walmart-Plattform reinbringen können: Mit einer gezielten Akquisition von Kompetenzen hätte ich einen viel höheren Impact für mein Walmart-Kerngeschäft gehabt. Und wäre mir Dynamic Pricing wichtig gewesen, hätte ich auch dazu ein interessantes Start-up finden können – so ein israelisches für 40 Millionen muss es geben. Ich tue mich immer schwer mit so Monster-Akquisitionen, wenn nicht total klar ist, was da wirklich gekauft wird.

(Florian führt auf, für welche Art von Geschäftsmodell er einen solchen Betrag in die Hand genommen hätte. Alex wirft ein: Für Walmart ist drei Milliarden nicht viel. Andererseits: Wäre es nicht schlauer gewesen, dreißig Firmen für jeweils 100 Millionen zu kaufen? Solche Summen müsse Walmart zwar ausgeben, um in der Digitalisierung mitzukommen. Aber besser investieren könnte man sie wahrscheinlich schon.)

25:00

Alex: Nehmen wir jetzt die Akquisition von eBags durch Samsonite: Ausgewachsener Koffer-und-Zubehör-Händler mit 150 Millionen Dollar Umsatz – wenngleich nicht profitabel, glaube ich – mit einem Preisschild von 100 Millionen Dollar. Was hat sich da Samsonite gekauft? Marktanteile oder Handelskompetenz?

Florian: Wenn eBags nicht profitabel war, vielleicht haben sie sich damit schwer getan, weiteres Investment zu bekommen, aber: Der Preis ist niedrig. Alles unter Einmal-Umsatz ist sehr billig. Für einen Platzhirsch im Dritt-Marken-Kofferhandel hätte ich mindestens Einmal-Umsatz erwartet. Nach meinem Verständnis versucht also Samsonite hier mehr Einfluss im digitalen Distributionskanal zu erlangen. Das hört sich nicht wie ein wahnsinnig strategisch gedachter Kompetenz-Einkauf an. Und zu der Bewertung: Selbst für einen Drittmarkenhandelsmodell ist das am unteren Ende der Skala anzusiedeln.

Dabei stehen solche klassische Handelsmodelle ohnehin massiv unter Druck, weil Amazon immer größer wird. Wenn man keine Eigenmarken hat oder keine ausgeprägte sonstige Kompetenz, die eine gewisse Verteidigbarkeit einem Amazon gegenüber anbietet, dann wird es schwierig.

Selbst den Fall Zalando kann man diskutieren. Das Unternehmen sagt: „Wir ownen das Fashion-Vertical.“ Otto sagt zu Recht: „Wir machen genauso viel Umsatz – zumindest in Deutschland. Auch Amazon redet mit. Von „Ownen“ kann da nicht die Rede sein. Klar: Zalando ist eine Plattform, will zu einem Netzwerk werden und an allen möglichen Wertschöpfungsketten rund um Fashion teilnehmen. Das ist eine Strategie, bei der man sagt: Das kann funktionieren. Aber bei 150 Millionen Euro Umsatz sind die wiederum dafür wahrscheinlich zu klein. So.

(Alex sagt, die Idee einer Plattform für Niedrigfrequenz-Ware wie Koffer oder Möbel sei ohnehin fragwürdig. Es sei schwierig, hier Wachstum über 5-10% zu erzielen. Dann ist das EBIT niedrig und das Unternehmen schwer zu bewerten.)

28:45

Alex: Heute ist was spannendes passiert: DeliveryHero will an die Börse: 350 Millionen Euro Umsatz aber kein Gewinn – erstaunlicherweise – sondern 110, 120 Millionen Euro Verlust. Und die wollen an die Börse mit einer Multimilliarden-Bewertung. Da guckt man: Liefergeschäft. Was kann man da vertikalisieren? Ist das ein Winner-takes-all-Markt? Findest du das blasenartig?

Florian: JustEat ist an der Börse. Sie sind sehr transparent und das sieht alles sehr gesund aus. Delivery Hero hat sich mit ihnen den Markt einen Stück weit aufgeteilt – in der einen Region ist der eine, in der anderen ist der andere stärker. Dann gibt es auch noch die TakeAway-Group, die auch noch einige Märkte dominiert. Sie ist aber eine ganze Ecke kleiner. Meinem Verständnis nach ist es im Delivery-Business so, dass du, wenn du in einem gewissen Markt die Nummer Eins oder Zwei bist, erhebliche Netzwerk-Effekte hast: Überproportionalen Kunden-Wiederkauffrequenz, sinkende Marketing-Kosten, auch niedrigeren Akquisitionskosten auf Restaurant-Seite. Die Marktführerschaft in einer bestimmten Region beschert einem also durchaus Effekte. So wie ich das verstehe ist Delivery Hero in den Märkten, in denen er führt, schon jetzt profitabel.

Ich bin zwar kein Insider, aber man kann bei JustEast sehen, dass dieses Geschäftsmodell im eingeschwungenen Zustand durchaus in der Lage ist, stabiles und vernünftiges EBIT abzuwerfen und trotzdem gute Wachstumszahlen zu erzielen. Zumindest bei einzelnen Märkten. Natürlich ist da nichts sicher: Wenn das ganze WeChat-artig mit Messenger-Produkten substituiert wird oder sich Uber einschaltet, kann sich das schnell ändern. Aber grundsätzlich kann das Modell profitabel sein und die Netzwerk-Effekte rechtfertigen hohe Bewertungen.

(Für den kleinen Anleger, merkt Alex an, sei das kein Geschäft: Statt in Dividenden würden dann Renditen in die Expansion fließen. Amazon mache das auch genauso, um Netzwerkeffekte zu erzielen. Weder für klassische auf Kursgewinne fokussierte Anleger noch für die Controlling-Abteilung größerer Firmen seien solche Bewertungen nachvollziehbar.

Florian sagt, es hänge davon ab, ob man den Weg zur finalen Zahl plausibel darlegen kann – und ob andere auch so bewerten. So ergebe es für einige Firmen eher Sinn, in New York an die Börse zu gehen, weil dort mehr Analysten neue Berechnungsmodelle verwenden und sie normalen Anlegern erklären können. So seien die Schwierigkeiten mit dem Börsengang und Aktienpreisentwicklung von Rocket etwa teilweise auf Kommunikationsschwierigkeiten zurückzuführen.

Alex fragt, ob kleine, aber profitable Händler überhaupt noch vermittelbar seien. Florian antwortet, es sei schon schwierig, sich nur auf Basis von Finanzkennzahlen ohne einen zweiten Ass wie Kompetenzbereicherung zu verkaufen. So ein 15-Millionen-Euro-Business, das nur mit Kundenstamm und Umsatz punkten kann, ist unterhalb der Wahrnehmungsschwelle – selbst für Mittelständler. Wer nur Ertrag erzielen will und nicht verkaufen möchte, könne so weitermachen. Wer aber den Verkauf anstrebt, müsse mit mehr als ein funktionierendes Geschäftsmodell kommen.)

37:30

Alex: Für ein mittelständischen Konzern unter Digitalisierungszugzwang heißt das also: Man muss bereit sein, mit historischen Maßstäben gemessen hohe Preise zu zahlen – oder braucht in der Akquisitionsabteilung andere Leute sitzen, die 100 Millionen Euro sinnvoll investieren können (beispielsweise: vielleicht 100 Mal eine Million).

Florian: Die Frage ist, ob man das kann. Zalando hat beispielsweise in den letzten Jahren gar nicht so viel eingekauft: sieben oder acht Unternehmen und paar kleinere Beteiligungen. Da war nichts großes bei: Metrigo für einen überschaubaren Preis; Nugget ebenfalls. Das waren alles Kompetenz/System/Asset-basierte Akquisitionen: Da war etwa ein Upload-Tool für Hersteller. Nach meinem Kenntnisstand hat eine Großzahl dieser Zukäufe insofern funktioniert, als Zalando heute schon damit arbeitet. So scheint die Kapitaleffizienz von Akquisitionen bei Zalando sehr hoch auszufallen: Sie haben relativ wenig Geld ausgegeben und ein bedeutender Teil dieser Assets wird schon aktiv verwendet.        Das ist schon nicht schlecht.

Wäre ich also ein Mittelständler mit einem überschaubaren Budget, könnte es schon sinnvoll sein, sich ein oder zwei größere Projekte zuzulegen – so als Leuchttürme nach innen, dass man es ernst meint (Beispiel: Idealo bei Springer vor acht Jahren oder so). Aber aus Sicht der Kapiteleffizienz und des Know-How-Aufbaus, braucht man die Fähigkeit, passende kleine bis mittelgroße Start-ups zu identifizieren – und dann die Kompetenz, die Gründer dort an sich zu binden. Viele arbeiten gut, aber schaffen aus irgendeinem Grund bei der Series A oder B den Sprung nicht. Da kann man beispielsweise ansetzen, wenn man weiß, wie es geht.

(Alex fasst zusammen: Lieber kleinteilig kaufen! In M&A-Kompetenzen investieren – und zwar nicht von der Stange wie von McKinsey oder Morgan & Stanley! Diese hätten ohnehin kaum Interesse an Acqui-Hire, sagt Florian, weil ihre Vergütung ein Prozentsatz des Volumens beträgt. Das sei aber bei solchen Geschäften sehr niedrig. Firmen müssten eigenen M&A-Abteilungen aufbauen, die proaktiv nach Kandidaten suchen.)

42:00

Alex: Letzte Frage: Die Behauptung, das sei alles eine Blase. Trifft das: ein bisschen? Sehr viel? Oder gar nicht zu?

Florian: Ganz global gesehen: Erst in den letzten Monaten haben wir beim Nasdaq wieder den Wert erreicht, den er 2001 hatte. Damals war Facebook noch nicht gegründet; Amazon war relevant, aber kleiner; Google hatte AdWords noch nicht – und Apple… Alles viel, viel weniger Wert als heute. Wenn man die Substanz der Unternehmen von damals mit heute vergleicht, kann man zumindest beruhigt sagen: Wenn es eine Blase gibt, ist das im Vergleich zu was wir 2001 hatten, ein Bläschen.

Gibt es aber im einzeln gewisse Bewertungs- oder Kaufpreis-Inflationen? Ich glaube schon – in einigen Bereichen, wie etwa FinTech. Da gibt es schon teilweise Fragen, ob sich die Bewertungen überhaupt sinnvoll  herleiten lassen– auch mit größter Fantasie und Netzwerk-Effekt-Prognosen. Zudem will gerade jeder eine Plattform werden und zwei oder dreimal Umsatz verlangen: Klar ist, dass nicht jeder es dazu bringen kann.

Aber generell: Die Substanz, die es heute im Detail in den Unternehmen gibt, ist in keiner Weise vergleichbar mit dem, was es vor fünfzehn Jahren mal gab. Zumal sich die Bewertungen teilweise aus Finanzrunden hervorgehen, in denen VCs sagen: Ich investiere nicht in die Substanz, sondern kaufe mich möglichst früh und möglichst stark ein, damit mein Potenzial wächst, zu den wenigen Ausreißern nach oben zu gehören. Das ist eine völlig rationale Entscheidung. Klar, das treibt die Preise in die Höhe. Aber wenn ich nur an einem einzigen Unicorn einen bedeutenden Anteil habe, ist die Überrendite so hoch, dass sie alle Verluste ausgleicht, die ich initial hatte. Das muss man immer einkalkulieren: Klar, die Bewertung ist in dem Moment vielleicht zu hoch, aber das Investmentverhalten ist an und für sich logisch.

Und, letztendlich: Was ist die Alternative?

Zwei der bisherigen Interviews mit Florian gehören zu den Kassenzone Podcasts Highlights:

Digitalisierung zum Festpreis:

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Investieren mit Geld-Zurück-Garantie:

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