Der stationäre Einzelhandel hat es schon nicht leicht. Neben den undankbaren Konsumenten (wollen alles billiger und besser) erweisen ihm seine eigenen Lobbyverbände einen Bärendienst. Karstadt und Kaufhof haben in einer Art Lovro Mandac Gedächtnisaktion zur erneuten Liberalisierung der Verkaufsverbote am Sonntag aufgerufen und sich dabei selten dämlich angestellt. Und nun kommt auch noch der HDE um die Ecke und fordert die „Gesundschrumpfung“ von Einkaufsstraßen (drohender Leerstand und so). Außerdem solle nun die Politik eingreifen, um die Interessen des Handels durchzusetzen und die Chancengleichheit zwischen stationären Händler und Onlinehändlern herzustellen. Damit bezieht man sich wohl auf die ungleichen Öffnungszeiten. Immerhin fordert man keine Öffnungszeiten für Onlineshops inkl. Feiertagsregelung, aber das kann ja noch kommen. Bei hergestellter Chancengleichheit freue ich mich auch auf das unbeschränkte Rückgaberecht in der stationären Filiale. Das hätte mal was.

All diese Entwicklungen wurden sehr hübsch in einem aktuellen Welt.de Artikel zusammengefasst. „Deutschlands Innenstädte drohen zu veröden.“ Solche Artikel selbst dokumentieren nur die Hilflosigkeit aller Beteiligten, aber die welt.de hat eine sehr aktiv kommentierende Leserschaft, die insbesondere bei solchen Artikeln immer wieder für Überraschungen sorgt. Ich lese alle paar Monate einen Artikel über das Thema dort und studiere die entsprechenden Kommentare. Für mich ist das, wenn man die jeweiligen politischen Neigungen rausrechnet, eine sehr ehrliche Reflexion darüber was die Kunden eigentlich denken. In den Artikeln vor 2-3 Jahren wurde noch oft gegen den Onlinehandel geschimpft (zahlt keine Steuern, verstopft die Innenstädte…), aber das hat sich mit der Zeit gewandelt. Zum aktuellen Artikel gibt es unter den 300 Kommentaren drei typische Aussagen.

Typ 1 versteht die Diskussion gar nicht und fühlt sich in die Zeit der Kutschen zurückversetzt:

Philipp K.: Die Diskussion würde auch super ins Jahr 1910 passen: Die Lastkutschenbetreiber wünschen sich, dass der Staat ihnen beiseite springt gegen die Gefahren durch die Automobile. Vielleicht hilft ja ein staatlich bezahlter Verkehrsmanager.

Typ 2 mag die Innenstadt irgendwie, sieht aber ein, dass es im Internet alles bequemer und billiger geht.

Thomas A.: Ich kaufe seit mehreren Jahren zunehmend online ein, meistens Bücher, Filme, Bekleidung, Schuhe, Bürobedarf, Elektronik und einiges andere mehr. Die Gründe dafür sind vielfältig: größere Auswahl, oftmals günstigere Preise bzw. besserer Preisvergleich, keine nervenden und aufdringlichen Menschen um mich herum, Zeitersparnis bei der Suche. Offline kaufe ich nur noch Lebensmittel sowie dringenden Bedarf.

Typ 3 findet die Kosten für die Parkplätze unverschämt und stört sich am Klientel.

Charlotta S.: Ich fühle mich einfach unsicher in der Innenstadt. Zu viele Bettlerbanden, Gruppen von Männern die komische Blicke drauf haben, dann die Diskussion mit Dieselfahrverbot und keine Parkplätze. Seit einem Jahr ist der ÖPNV keine Alternative mehr. Es behagt mir einfach nicht, dort einzusteigen zudem zu teuer und zu viele Zugausfälle. Ich mag zwar nicht so gerne im Internet einkaufen, aber das ist einfach sicherer.

Ich habe ca. 200 Kommentare ausgewertet und fast niemand spricht dort von zu kurzen Öffnungszeiten (fünf dafür, zwei dagegen). Im Gegenteil, erstaunlich viele Kommentatoren fühlen sich in der Innenstadt zunehmend unwohl. Wie stark die Diskussion von der aktuellen Berichterstattung über Flüchtlinge beeinflusst ist, kann ich schwer sagen. Aber auch wenn man das ausrechnet ist die Tendenz klar. Sogar große stationäre Fans wenden sich kopfschüttelnd von der Innenstadt ab. Die meisten tendieren Richtung Onlinenhandel, aber ein großer Teil fühlt sich auch von den parkplatzfreundlichen & bettlerarmen Einkaufszentren auf der grünen Wiese angezogen. Die allermeisten Kommentatoren können zu die HDE Argumente nur den Kopf schütteln. Ich habe für ersten ca. 150-200 Kommentare ausgewertet, was aus deren Sicht falsch läuft mit der Innenstadt (Mehrfachnennung möglich).

Die wichtigsten beiden Negativargumente sind das falsche Klientel in der Innenstadt (Bettler, Jugendbanden, Ausländeranteil…) und die Parkplatzkosten (teuer, selten, schlechter Zustand, Politessen…). Die Faktoren „Service“, „Auswahl“ und „Preis“, klassische Stärken des Onlinehandels, sind zwar sehr wichtig, aber bei weitem nicht so stark wie vermutet.

Die Erhebung ist statistisch natürlich sehr wackelig, aber die Kommentare sind eindeutig. Sicherlich ist der Onlinehandel keine Hilfe für die Performance des stationären Handels, aber die aktuelle Krise ist hausgemacht. Hanebüchene kommunale Gewerbepolitik, gepaart mit einer enormen Behäbigkeit der stationären Händler bzw. Handelsstrukturen haben verlässlich dafür gesorgt die Innenstadt als Einkaufsort überflüssig zu machen. Dass in den hier betrachteten Kommentaren die bisher kommunizierte Stärke des stationären Handels „Sozialer Mittelpunkt“, „Kontakt mit Menschen“ als Schwäche, und zwar als allerschlimmste Schwäche aufgezeigt wird, sollte zu denken geben.

Um sich von dieser Entwicklung ein eigenes Bild zu machen, empfehle ich die Kommentare einfach mal zu lesen, in diesem welt.de Artikel oder in hunderten anderen jüngeren und älteren Artikeln in überregionalen und regionalen Medien. Die Tendenzen sind recht klar. Unter den Kassenzone.de Lesern sind ja sicherlich ein paar stationäre Händler. Seht ihr das ähnlich wie die Kommentierenden bei welt.de, oder läuft es bei euch ganz anders. Wenn ja, wie? Was würde euch helfen?

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