HellseherDas Jahr neigt sich dem Ende zu, und da ist es wie immer an der Zeit die Glaskugel rauszuholen. Was passiert mit den vielen Händlern & Marken in den nächsten Jahren. Was ist das große nächste Ding nach Amazon SEO und TMALL? Wo kann man in Zukunft im Handel noch Geld verdienen? Es gibt zu dieser Frage leider sehr wenige Denkanstöße. Jochen Krisch spielt zurzeit mit einem Modell herum, dass vier mögliche Stoßrichtungen zeigt (Plattform, Marktplatz, Erlebnis, Vertikalisierung). Die Einführung von Amazon Echo und weitere „screenfreie“ Devices machen die Prognose allerdings zunehmend schwieriger. Leider finde ich in den meisten aktuellen Handelstrategieunterlagen noch immer sehr oft das Thema Omnichannel, der Rettungsanker der Kutschfahrer. Wenn sich das Übelkeitsgefühl gelegt hat, frage ich mich ob die Autoren oder die Leser der Studien wirklich an diesen Rettungsanker glauben. Es scheint so zu sein, dass viele Entscheider nicht nur auf der falschen Seite der Gleise wohnen, sondern mangels Alternative bewusst in die falsche Richtung laufen (wollen).

Ich persönlich traue mir nicht zu vorherzusagen, welche Anbieter und Geschäftsmodelle 2025 dominieren werden und wer davon am meisten profitiert. Ich glaube allerdings fundamental daran, dass 2025 Geschäftsmodelle dominieren, die wir heute noch nicht kennen. Das ist auch der Grund dafür weshalb ich sage, dass Unternehmen nicht mehr in Geschäftsmodelle „investieren“ sollten, sondern nur noch in Fähigkeiten. Fähigkeiten schneller zu agieren. Fähigkeiten sich schneller verändern zu können. Fähigkeiten den Markt zu gestalten und nicht zu immitieren. Klingt anstrengend und wenig attraktiv?  Gemessen an den goldenen Standards großer Unternehmen aus den 70er,80er & 90er Jahren ist das die Hölle! Aber was ist die Alternative?

Die Projekte und Gespräche in 2016 haben mir allerdings ein Geschäftsmodell gezeigt, dass 2025 kaum noch relevant sein dürfte. Und dieses Geschäftsmodell heißt Handel. Der Einkauf von Produkten bei (Marken-) Herstellern, die Veredelung in Form ausgefeilter (stationärer und online) Sortimentskonzepte inkl. des Weiterverkaufs an Endkunden mit Preisaufschlägen zwischen 5% und 500% – dieses Modell hat keine Zukunft. Es basiert auf einer Wertschöpfungskette, die durch die Digitalisierung obsolet geworden ist. Angebotskonzepte, also Handelsformate die sich über eine bestimmte Zielgruppe oder ein begrenztes Sortiment definiert haben sind fast immer den Plattformkonzepten unterlegen. Am Anfang sah es noch danach aus, dass diese neuen Plattformformate (Amazon, Zalando, Alibaba…) die Fortsetzung der Handelskonzepte sind, aber spätestens seit diesem Jahr steht fest, dass alle Plattformen die Handelsmarge nicht mehr als wesentliche Ertragssäule ansehen. Das Geschäft hat sich fundamental verändert, indem nun alle großen Plattformen lediglich Reichweite vermieten. Und diese Miete steigt an. Zusätzlich zur Vermietung von Reichweite entsteht durch das rasante Wachstum der Plattformen neues Geschäftspotential. Bei Amazon ist AWS bereits zur wichtigsten Einnahmenquelle geworden und bei Zalando & Co. wird es ähnliche Dinge geben. Das Geschäftsmodell Warenhandel ist zum billigen Steigbügelhalter der Plattformökonomie verkümmert und mit ihm platzen auch die letzten Hoffnungen der stationären Händler die sich vergeblich dem Click & Collapse hingeben.

Das ist alles keiner Schwarzmalerei oder irgendeine Form von Untergangsszenario. Das ist die Realität der sich die „Handel ist Wandel“ Sager gegenübersehen. Den Wandel den sie meinen zeichnet ein  für Händler stabiles Zukunftsbild. Ein wenig mehr online, eine moderne Kassenzone, etwas mehr Service und noch mehr Liebe bei der Auswahl der angebotenen Waren. So etwas in der Art. In Wahrheit findet der Wandel aber in einer atemberaubenden Geschwindigkeit statt. Heute muss man so sein wie Zalando als Händler. Code & Daten stehen im Zentrum des Unternehmens, der Kunde wird nicht mehr mit Angebotskonzepten gelockt, sondern möglichst personalisiert genau das angeboten was er gerade braucht und sucht. In allen möglichen digitalen Kaufsituationen und in Kürze auch noch via Bestellung per Stimme. Und auch dieses Szenario bröckelt schon wieder. Zalando, Amazon & Co. müssen permanent versuchen sich selbst neu zu erfinden, bevor es ein anderer tut. Das ist die Art von Wandel die der Handel braucht. Technologieunternehmen gelingt das scheinbar besser als Unternehmen die von der Einkaufsabteilung dominiert werden. Als Marc Andreessen 2011 sein bekanntes „Software is eating the world“ Mantra lancierte, haben die meisten Händler gelächelt. Lächelnde Händler habe ich 2016 kaum gesehen.

Man muss sich nicht mit diesem Szenario wohlfühlen, aber ich habe bisher wenig Argumente gefunden, die ich nutzen könnte um einem klassisch analogen Händler sagen zu können: „Alles wird (wieder) gut. Verkauf ein wenig bei Amazon und schon sieht die Welt rosig aus.“ Ich kann nur sagen, dass die aktuellen Fähigkeiten von Zalando in fünf Jahren nicht mehr erfolgskritisch sind und jeder die Chance hat sich neue Fähigkeiten zu suchen und aufzubauen, unabhängig von seiner Legacy. Sogar die bisher scheinbar gut aufgestellten Hersteller mit ihren Traditionsmarken müssen erkennen, dass ihre Tradition in einer Plattformökonomie zunehmend weniger Wert ist („Welchen Wert haben Marken von gestern.“). Menschen kaufen durch digitale Mittler anders ein, sie gewöhnen sich daran und die digitalen Schnittstellen werden noch omnipräsenter. Da kann man noch so schöne Ladenkonzepte bauen. Das bringt die Leute nicht zurück. Es bringt für Händler auch nichts darüber zu diskutieren ob diese Entwicklung nun gut ist, nachhaltig, verträglich für unsere Innenstädte usw. Handel wird als tragende Säule in unsere Konsumwelt über kurz oder lang kaum noch eine Rolle spielen, zumindest nicht der Handel den wir heute als Handel kennen.

Das Social Media Phänomen Gary Vaynerchuk hat die Wucht des Wandels vor einigen Wochen in einer Podiumsdiskussion herrlich erläutert. Dabei ging es um den Einwand des Moderators, dass es schwer ist den ständigen veränderten Anforderungen des Marktes zu folgen. Gary antwortet in dem Ausschnitt dazu, dass es natürlich schwer ist und er sich auch lieber auf seinem profitablen SEO Business ausgeruht hätte. Aber obwohl er das Konzept von Snapchat nur schwer adaptieren kann, weiß er um die Relevanz bei den Kunden. Und am Ende ist es den Kunden vollkommen egal wir schwer das Anforderungsmanagement ist. Who cares?

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Bei unserem nächsten Digital Commerce Day (DCD) am 23. März in Hamburg, mit dem Motto „Was ist die Alternative?“, wird es beim Thema Digitalisierung & Wandel heiß hergehen. Zielgruppe des DCD sind Menschen, die sich nicht mehr mit der Diskussion über verschiedenen Vertriebskanäle aufhalten (müssen).

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