MarkplatzEs vergeht kaum ein Tag, an dem nicht jemand bei uns anruft und danach fragt mit uns einen Marktplatz zu bauen. (Disclosure: Siroop wurde 2015 auf Spryker Basis gelauncht) Direkt danach folgt die Frage nach den Omnichannel Fähigkeiten, weil man ja auch irgendwie stationäre Kanäle einbinden müsste. Die beiden Fragen gelten branchenübergreifend, egal ob der Fragensteller aus der Automobilindustrie, Finanzindustrie oder dem Möbelhandel kommt. Marktplätze sind die neuen Category Killer, quasi die Antwort auf den schneller wachsenden Onlinehandel und das Versagen des klassischen Handelsgeschäfts als zentrale Einnahmequelle für Onlinegeschäftsmodelle. Wobei, Versagen ist vielleicht etwas zu radikal ausgedrückt. Es setzt sich vielmehr die Erkenntnis durch, dass Onlinehändler viel größer werden müssen, als noch vor ein paar Jahren vermutet, damit das Geschäft für alle Beteiligten Sinn macht. Bei den notwendigen Investments für solche Umsatzgrößen liegt es ja auf der Hand sich rechts und links der gängigen E-Commerce Konzepte umzuschauen, und Marktplätze stehen zurzeit ganz oben auf der Einkaufsliste. Deshalb möchte ich kurz meine Sicht auf Marktplatzmodelle vorstellen.

In meiner Zeit bei netimpact (2011-13) hatten wir uns das Thema Marktplatz noch recht einfach gemacht. Wir hatten u.a. einen kleinen Marktplatz für die selbst.de Community gebaut, der zum Ziel hatte passende Baumarktprodukte für die vermarkteten Bauanleiten („Bau die ein Vogelhaus“) kaufbar zu machen. Schritt 1 war „damals“ immer die Aggregation von Affiliate Feeds der einzelnen Anbieter, so dass man kaufwillige Kunden für eine kleine Provision an obi.de und Co. weiterleiten konnte. Die Tracking- und Conversionprobleme liegen bei dieser einfachsten Form des Marktplatzes auf der Hand. Nicht selten kommt man dabei auf Conversionraten des weitergeleiteten Traffics von unter 0,2%, so dass eine normale TKP basierte Vermarktung der Ausgangseite schon profitabler war. In unserer einfachen Logik ließ sich das lösen, indem man zuerst den Check Out auf der Ausgangsseite durchführt und im zweiten Schritt sogar zum Vertragspartner ggü. dem Kunden wird. In diesem Fall wären die beteiligten Handelspartner nur noch Abwicklungsgehilfen. Das allein ist technisch & rechtlich sehr schwer zu lösen und die letzten Jahr haben mir gezeigt, dass es noch viel mehr Abstufungen in Marktplatzgeschäftsmodellen gibt.

Schauen wir uns doch mal im ersten Schritt an was Marktplätze aus Kunden- und Anbietersicht lösen. Dazu ist es wichtig zu verstehen, was ein klassisches Handelsgeschäftsmodell auszeichnet. So ein Modell verdient sein Geld ganz wesentlich dadurch, dass es Ware teurer verkauft als einkauft (Deckungsbeitrag 1). Als Händler kaufe ich also für 90€ Pullover von Naketano und verkaufe es für 150€ an meine Kunden weiter. Aus der Differenz von 60€ muss ich all meine Aufwendungen (Marketing, Vertrieb, Retouren…) bezahlen. Ich bin der festen Überzeugung, dass es diese Art von Geschäftsmodell in einer digitalen Welt nicht mehr geben kann und die Probleme der stationären Händler sind lediglich ein erstes Signal davon. Die Abschläge vom Hersteller UVP sind mittlerweile branchenübergreifend zu groß und Kunden sind insbesondere im Onlinehandel sehr illoyal.  Die Idee mit den Marktplätzen ist deshalb attraktiv, weil man die Abhängigkeit von einem DB1 Geschäftsmodell entschärfen (verkaufen tun die anderen) kann und die Attraktivität für die Kunden steigert (größeres Angebot). Bevor nun aber alle wild losstürmen und eine Marktplatz machen, lohnt es sich mal genauer auf die verschiedenen Ausbaustufen von Marktplätzen zu schauen, um besser zu verstehen wo da die Reise hingehen kann.

Die Perspektive aus Kundensicht ist sehr einfach. Während klassische Händler gegenüber dem Kunden Übersicht über ihr (eigenes) Angebot geben, die Kaufabwicklung durchführen und am Ende des Tages auch der Vertragspartner sind (Service, Retoure…). Marktplätze unterscheiden sich davon vor allem dadurch, dass ihr Angebot größer ist und sie sich in vielen Fällen mit der Funktion „Übersucht geben“ zufriedengeben. Händler verstehen fast immer alle drei Handelsstufen (Übersicht geben + Kaufabwicklung + Vertragspartner sein) als ihr Kerngeschäft.

handelsprozess

Nun kann man auf jeden Teilprozess von Marktplatzplattformen schauen und sieht, dass es sehr viele Abstufungen gibt. Ich habe hier nur die Themen Angebot, Kaufoption und Logistiksupport mit jeweils zwei Optionen betrachtet. Es gibt aber dutzende weitere Themen und viel mehr Abstufungen die genauso wichtig sind.

Angebot Kaufoption Logistiksupport
100% Drittanbieter gemischt Alle Produkte Wenige Produkte Ja Nein
Otto.de x x x
Idealo x x x
Amazon.de x x x
Siroop x x x
Instagram x x x
ebay x x x
payback  x  x x
Google  x x

Idealo.de ist hier ein sehr spannendes Beispiel, weil die Plattform dazu übergangen ist selber den Kaufprozess zu integrieren. Was heißt das jetzt? Für mich hat diese Beobachtung mehrere Auswirkungen.

  • Die Komplexität der einzelnen Bereiche (Spalten in der Tabelle) nimmt permanent zu. Insofern frage ich mich was der günstigste (schnellste & effizienteste) Einstieg in ein Marktplatzmodell ist. Muss man immer mit der Aggregation mehrerer Anbieter starten?
  • Alle Plattformen wollen irgendwie zum Marktplatz werden und ich versuche immer noch Muster zu erkennen wem das am einfachsten gelingen könnte. Instagram ist zwar kein typischer Marktplatz, aber warum sollten sie nicht schleunigst dazu übergehen die dort verlinkten Produkte auch dort kaufbar zu machen?
  • Wenn Marktplätze tatsächlich die neuen gehypten Category Killer sind, was wird dieses Modell am Ende limitieren? Bei den Category Killern („Warum funktioniert das windeln.de Modell nicht wie es soll“) lag es an der mangelnden Kundenloyalität und am Ende auch daran, dass die Marktplätze diesen Unternehmen das Wasser abgegraben haben.
  • In 50% der Fälle die ich in Anforderungsworkshops sehe, gehen die Betreiber davon aus, dass eine Mandantenfähigkeit ein maßgeblicher Erfolgsfaktor ist. Das bedeutet, dass die anbietenden Händler/Hersteller gewisse Freiheiten bei der Preisbestimmung, Lieferkonditionen usw. haben und sich am Ende selber auf die Markplatzplattform einloggen können. Abgesehen davon, dass das technisch sehr komplex ist, dürfte in einem Markt der in Zukunft aus wenigen Plattformen, aber aus vielen Herstellern besteht diese Funktion kaum genutzt werden. Herstellerwettbewerbe werden anders ausgetragen als Händlerwettbewerbe.
  • Was ist die natürliche Weiterentwicklung des Modells, wenn AMS, ZMS & Co. erst einmal perfekt laufen. Werden dann alle Marktplätze in die Produktion von Eigenmarken einsteigen?

Lange Zeit waren Amazon & eBay (Markenhersteller auf eBay) die prägenden Marktplätze in Deutschland und nun kommen nach und nach neue Marktplätze verschiedener Branchen auf den Markt die aus meiner Sicht alle das Potential haben für viel Veränderung zu sorgen. Zudem können bestehenden Plattformen mit einem hohen organischen Kundenzugang aus meiner Sicht recht einfach marktplatzähnliche Funktionen aufbauen. Und damit meine ich mehr als nur den Kaufbutton bei Instagram und Co. Konsequent weitergedacht sind so auch durch AirBnB, UBER & Co. sehr spannende Impulse zu erwarten. Jede dieser Plattformen wird irgendwann anfangen seine Reichweite an Dritte zu verkaufen, über das eigentliche Core Geschäftsmodell hinaus.

Mit Idealo & Amazon & eBay diskutieren wir diese Fragen beim  Digital Commerce Day (DCD) „Was ist die Alternative?. Dieser findet am 23. März 2017 in Hamburg statt. Zielgruppe sind Menschen, die sich nicht mehr mit der Diskussion über verschiedenen Vertriebskanäle aufhalten (müssen).

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