Burning dollarDie Akquisition von jet.com durch Walmart vor vier Wochen hat in den Medien zu drei  verschiedenen Reaktionen geführt. Die große Anzahl der klassischen Medien berichtet überwiegend neutral und betet einfach nur die Zahlen des Deals herunter. 3,3 Milliarden Dollar lässt sich Walmart den Spass kosten. Der Betrag ist zu 90% zahlbar in Cash und zu 10% in Aktien. Ca. 3m aktive Kunden und ca. eine Milliarde Umsatz für soll jet.com 2016 planen.

Ein anderer Teil der Medien fällt auf die von Walmart und Jet kreierte PR Story herein und sieht in dem Deal bereits ein stimmiges Setup, damit Amazon.com endlich einen ernsthaften Wettbewerber in den USA bekommt. (Forbes.com)

In addition to adding 1 million products to its selection, Walmart has also recently integrated several technological innovations, including e-commerce, mobile payments, premium fulfillment memberships, drones and robotics, providing a boost to its business model. A partnership with Jet would allow Walmart to benefit from Jet’s sophisticated e-commerce pricing — Jet is known to use factors like basket size, shipping options and product proximity to customers to offer lower prices. Walmart would also gain customer data and additional warehouses in the acquisition.

Nur wenige Medien, eigentlich nur Fachmedien wie excitingcommerce („Deal der Verzweifelten“) oder t3n sehe in dem Deal heiße Luft. Jochen Fuch von der t3n geht sogar soweit, dass er den eigentlichen Deal für Walmart darin sieht den schillernden E-Commerce Unternehmer Marc Lore an sich zu binden. (t3n)

In Wahrheit ist der Jet-Deal wohl am ehesten noch ein Asset-Deal: Für 3,3 Milliarden hat sich Walmart Know-How und vor allem Marc Lore eingekauft, den charismatischen Seriengründer und Ex-Amazon-Mitarbeiter. Wired bezeichnet Lore als „one of the sharpest minds in online retail today“. Eine Auffassung, der sich McMillon anschließt: „Marc’s e-commerce experience and success are obviously attractive.”

Die These scheint nicht ganz aus der Luft gegriffen, weil auch der Walmart CEO die Bindung von Marc Lore an sein Unternehmen für einen essentiellen Bestandteil des Deals hält. Ich selbst habe mich beim Launch von jet.com bereits sehr kritisch auf Kassenzone.de über dieses Vorhaben geäußert. („Jet.com und die ganz ganz große Vision“) Die „wir wollen besser sein als Amazon“ Vorhaben scheiten für mich meistens daran, dass sie nicht vom Kunden her denken und bei jet.com war das wahrer denn je. (Kassenzone.de)

Jet.com gewinnt Kunden mit dem Versprechen, dass man dort Produkte zum niedrigsten Preis kaufen kann und presst bei weiterem Wachstum so viel Handelsmarge wie möglich aus dem System, so dass strategisch weder für Hersteller, noch für Händler Sinn macht Produkte an/über Jet.com zu liefern. Für Kunden macht der Kauf solange Sinn wie das enorme Funding der Plattform in die Subventionierung des Angebotes gesteckt werden.

Die unkritische Berichterstattung der klassischen Medien hinterlässt mich allerdings fassungslos. Beim Verkauf vom Dollar Shave Club an Unilever  für eine Milliarde Dollar konnte man recht einfach auf die Ratio des Deals schließen. 312$ Kaufpreis pro Dollar Shave Club Kunde in einem halbwegs stabilen Abomodell (200m Umsatz 2016), das war irgendwie nachvollziehbar, aber der Jet/Walmart Deal lässt einfach zu viele Fragen offen. Bevor ich die Fragen aufliste, zeige ich noch mal eines meiner Lieblingscharts für die Entwicklung des Onlinehandels in den USA.

 

Darin wird deutlich, dass Amazon bereits 2013 alle anderen Händler in den USA im Onlineumsatz abgehängt hatte. Das Chart verändert sich auch nicht, wenn man die Zahlen bis 2016 einträgt, abgesehen davon, dass Amazon noch einmal 50% zugelegt hat und der Rest auf seinen vergleichsweisen kleinen Online Umsätzen verharrt.
wsj-amazonDas muss man sich erst einmal klar machen. Walmart, Staples und Co. haben hunderte Millionen in das Thema E-Commerce investiert ohne auch nur den Hauch einer Chance zu haben. Wie die vergangenen Katalogunternehmen in Deutschland waren sie lediglich in der Lage bestehende „analoge“ Kunden zeitweise auf ihren eigenen Onlinekanal zu konvertieren.  Es kommt sogar noch schlimmer. Walmarts E-Commerce Wachstum ist auf 7% gefallen, bei einem Marktwachstum von 15%. Das ist, gelinde gesagt, desaströs. (Fortune.com)

But amid the signs of progress was a data point that normally would give Wal-Mart Stores investors pause: e-commerce sales rose only 7% in the quarter, slowing down yet again and suggesting the retailer is struggling to keep pace with Amazon.com

Walmart, der größte, reichste, mächtigste Händler der Welt, hat kein Konzept gegen die Onlinedominanz von Amazon gefunden. Da wird es zumindest verständlicher, warum sich dieses Unternehmen gezwungen sieht etwas zu unternehmen und in diesem Fallen jet.com zu kaufen.

Allerdings hat jet.com auch noch nicht bewiesen, dass es sinnvoll in einer Amazon Welt bestehen kann. Das Geschäftsmodell erscheint bisher nicht nachhaltig. Ein großer Teil des Fundings (bisher ca. 800 Millionen Dollar) wurde in die Kundenakquisition investiert und die Kunden verhalten sich bisher nicht so treu wie erwartet. Ein Kartenhaus – bestenfalls.  Jet.com hat sein Geschäftsmodell von einer Art Abomodell zu einem normalen Shopmodell geändert. Es hat nicht gezeigt wie es profitabel wachsen will, es ist unklar wohin die Reise als eigenständige Seite gehen soll. Das Feedback meiner US Kontakte zum Bestell- und Abwicklungsprozess von jet.com ist sehr durchwachsen. Die gängigen Bewertungsportale zeichnen ein durchschnittliches Bild. Aber an dieser Stelle soll es gar nicht mehr um das jet.com Modell gehen, weil ohnehin nicht klar ist wie es damit weitergeht. Blicken wir dafür noch mal auf die Optionen von Walmart.

Beim Investorenmeeting im Oktober 2015 musste Walmart u.a. auf seine E-Commerce Fortschritte eingehen und hat dabei sehr aufschlussreiche Dinge gesagt/gezeigt.

Die sinkenden Wachstumsraten werden auf dem ersten Chart leider nicht deutlich, aber es gibt hierbei zwei bemerkenswerte Projektionen von Walmart. Zum einen erwartet Walmart einen CAGR von 20-30% bis Ende 2019, was viel zu wenig wäre bei einem heutigen Umsatzniveau von wenigen Milliarden. Zum anderen möchte Walmart sein E-Commerce Investment zurückfahren bzw. kapitaleffizienter investieren, was auch allen Learnings von Walmart widersprechen muss. Wie soll das gehen? Schneller wachsen aber dabei sparen.

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Im nächsten Chart wird die DNA von Walmart sehr deutlich. Walmart ist ein Unternehmen was in Glas und Steinen denkt. Fast alles Geld soll in die Entwicklung von weiteren physischen Stores gesteckt werden. In das Thema E-Commerce/Digital sollen eine Milliarde Dollar pro Jahr investiert werden, worunter auch die diversen ERP Projekte zählen dürften mit denen sich Walmart zurzeit herumschlägt. Bei 500 Mrd. Dollar Umsatz ist eine Mrd. Investment in E-Commerce, in das einzige Wachstumsthema dieser Branche, fahrlässig und naiv.

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Walmart kann aber aus seiner Haut auch nicht so einfach heraus. Es spielt strategisch und finanztechnisch nicht in der gleichen Liga wie Amazon. Oder noch deutlicher, es spielt ein komplett anderes Spiel, wie man aus den Key Takeaways des CEOs herauslesen kann. Walmart ist zufrieden mit seinen wenigen % Wachstum, weil es E-Commerce einfach aus seiner Marktdefinition herausnimmt. Walmart erarbeitet Dividenden für die Shareholder, Amazon erzeugt den Wert durch die Wertsteigerung der Aktie.

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In diesem Modus, mit diesem Setup kann Walmart nichts gegen Amazon anrichten. Das Kapital für E-Commerce Projekte geht für hanebüchene Multichannel Investments drauf, die weder den Kunden noch Walmart nützen und auch Marc Lore wird an der DNA des Unternehmens nichts ändern können, außer er schafft es aus den 1 Mrd. Investments pro Jahr 10-20 Mrd. zu machen – ein Bereich der für Walmart Sinn machen dürfte. Insofern kann ich noch nicht mal sagen, dass die E-Commerce Ambitionen von Walmart schlecht gemanaged sind – es gibt einfach keine.  Die Akquisition von Jet.com verbessert die Lage aus meiner  Sicht gar nicht, weil es keine Walmart relevante Herausforderung löst?

  • Was genau will Walmart mit jet.com machen?
  • Wie werden die offensichtlichen Online Probleme von Walmart mit jet.com gelöst?
  • Wie kann Walmart schneller zum Marktplatz werden mit jet.com – eine der offensichtlichsten Stoßrichtungen für die Walmart E-Commerce Zukunft?
  • Wie kann das E-Commerce Investment gegen den Willen der dividenengetriebenen Shareholder gesteigert werden?
  • Warum haben die bisherigen E-Commerce Projekte so wenig zum Onlinewachstum beigetragen?
  • usw.

Auch wenn ich mich so einem Deal optimistisch annähere und sage, dass es bei der Größe von Walmart das richtige Zeichen an den Markt ist, fehlt mir operativ die Fantasie, um so ein Vorgehen zu begründen. Der Deal wirkt fast so wie ein Ablassbrief, um das mangelende Ambitionsniveau in den Walmart E-Commerce Projekten und das unendlich behäbige Vorgehen abzugelten. Aber wozu? Es weist keinen Weg in die Zukunft. Auf Techcrunch.com steht zu dem Deal passenderweise der Hinweis, dass man für die 3,3 Milliarden Dollar auch fünf Millionen Stück der neuen Oculus Rift Brille hätte kaufen können, um damit ein kapitalistisch virtuelles Schlaraffenland zu kreieren. Könnte man auch machen. Aus meiner Sicht bleibt beim dem Deal neben dem Jackpotgewinner Marc Lore nur ein Profiteur. Amazon! Ein vermeintlich aggressiver Wettbewerber verschwindet von Markt und Walmart kann sich nun für die nächsten 12-24 Monate einreden, gehandelt zu haben. Dieser Artikel ist in verkürzter Form bereits auf der interworld.de erschienen.

Wer Lust hat, diese Thesen mit mir zu diskutieren, kann das in den nächsten drei Tagen in Köln bei der DMEXCO machen. Halle 6, Stand D.050. Was sind die Alternativen für Walmart & Co.?

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