smart-goat-smallIch durfte heute einen Vortrag mit dem Titel „Transformation wider Willen“ beim außerordentlich prominent bestückten und toll organisierten ECR Tag in Bonn halten und eine Gegenthese zum Transformationsdogma präsentieren. Seitdem die Branche mehrfach die Funktionsweise der Multichannelfalle bewiesen hat, wird nun die Transformationssau durchs Dorf getrieben. Im Detail legt das Thema Transformation jeder für sich selber aus und das eine Unternehmen sieht in der Scrum-Master-Quote der EDV einen Hebel für die erfolgreiche Transformation, während andere die Investitionen für interne Computerkurse erhöhen und hoffen, dass alles so schnell, kreativ und profitabel wird wie bei Facebook, Amazon und Co.. Ich selber habe auch recht lange an das Konzept geglaubt, aber die Marktrealität hat uns eingeholt und die „klassische“ Transformation unmöglich gemacht. Mit klassischer Transformation meine ich Strategien, um traditionelle Unternehmen über alle Wertschöpfungsstufen hinweg ins digitale Zeitalter zu führen. Matthias Schrader nennt das „Elektrifizierung“. Ein großer Anstoß für diese Sichtweise war für mich der mittlerweile populäre Startup Kurs von Sam Altman. Darin hat er u.a. dargelegt, dass der Erfolg neuer (digitaler) Unternehmen nicht die Summe von Idee, Team, Umsetzung usw. sind, sondern ein Produkt dieser Faktoren. Das verändert die Spielregeln. Man kann gar nicht so schnell transformieren wie sich der Markt verändert. Transformation ist in den meisten Fällen eine teure Illusion und bei einem spannenden Konferenzformat in Hamburg vor zwei Wochen habe ich dafür auch eine schöne Metapher gefunden. Die Konferenz „Year of the goat“, mit dem Ziel digitale Ideen zu pushen, hat sich die Ziege als Wappentier ausgesucht. Die Ziege verkörpert eine gewisse Sturheit und Trägheit, weil sie sich in ihrer Position wohlfühlt. Sie ist also das perfekte Ziel für die Transformation.

Standard-Goat

Die Ziege soll nun durch allerlei Maßnahmen in ein ganz neues Tier transformiert werden, das komplett andere Eigenschaften besitzt. Die Ziege gibt zwar zuverlässig Milch und das Fleisch schmeckt auch ganz passabel, aber das zählt nun nicht mehr. Die Ziege soll schneller laufen, mit Löwen kämpfen, tagelang ohne Wasser auskommen und immer neue Wege zum Ziel finden. Aus der Ziege soll also so eine Art Antilope werden. Die Antilope ist so etwas wie das Amazon in der Ziegenwelt. In nun fast 10 Jahren in denen ich in verschiedene Unternehmen diesen Transformationsversuch beobachten konnte hat es mit der Produktion von Antilopen nicht wirklich funktioniert. Das einzige was man zustande gebracht hat sind kluge Ziegen – die sogenannte #smartgoat

Smart-Goat

Die #smartgoat weiß ziemlich genau was eine Antilope tut, wahrscheinlich weiß sie das sogar besser als die Antilope selbst. Um das herauszufinden hat die schlaue Ziege viel investiert (weniger Milch gegeben u.a.), aber wirklich schneller rennen kann sie auch nicht. Das Problem ist nun eher, dass sie weiß, dass sie nicht schnell genug rennt oder gut genug Milch gibt. Sie kann nun sogar erklären warum das so ist, und wenn man es sich so richtig überlegt ist die schlaue Ziege nun eher das letzte was erfolgreiche Transformation gebrauchen kann. Die schlauen Ziegen können sich aber nun gut verstellen mit ihren kleinen Antilopenhüten und müssen mal so gar keine Angst haben vor der nächsten Restrukturierungswelle.

Erkennen Sie ein Unternehmen oder einen Manager aus ihrem Bekanntenkreis wieder? Ja? Das dürfte nicht überraschend sein, weil wir alle irgendwann Ziegen werden. Diesen antilopenähnlichen Zustand gibt es wahrscheinlich nur in einer sehr frühen Phase der Gründung. Wenn „normale“ Strukturen eingeführt werden ist es vorbei mit dem freien Leben der Antilope und die Milch-/Fleischproduktion steht im Vordergrund. Die Herausforderung liegt also nicht darum um jeden Preis der Welt die Antilope zu sein, sondern zu erkennen wann & wo es klüger ist eine Antilope zu sein und wann man die Ziege einfach Ziege sein lassen sollte. Vollkommen nutzlos ist es aber schlaue Ziegen zu schaffen!

Für Kassenzone.de Leser kaum überraschend ist mein Vorschlag, dass man bestehende Strukturen „melken“ muss, um neue Strukturen zu schaffen. In der IT hat sich dafür seit kurzer Zeit der von Gartner geprägte Begriff der bimodalen IT eingeprägt, der für diesen Unternehmensbereich vorschlägt Legacy IT Themen von zum Nutzer/Kunden hin orientierten IT Themen zu trennen:

“Digital startups sit inside your organization, in your marketing department, in HR, in logistics and in sales,” said Mr. Sondergaard. “As IT leaders, you must design, resource and deploy for a world that’s digital first. In this new model, every business unit is a technology startup. Now is your opportunity to create that team. Partner with the digital startups inside your organization and prove that you can move fast too. Embrace the outside change.”

While IT has been like rocks in a river – resisting change, the digital world is in continuous flow that creates business moments. There are moments when you can leverage some “digitalized” process to create new opportunities

Für mich ist das nur ein Anfang. Ich glaube, dass es noch nicht einmal Sinn macht einfach nur eine zweite IT aufzumachen, sondern das Thema organisatorisch komplett neu aufzusetzen. Auf CIO.com wird dieses Konzept mit der Opferung  der „alten“ IT gleichgesetzt, aber das sehe ich etwas anders. In einer Welt die vom Nutzer her denkt, spielen ERP geprägt IT Systeme keine führende Rolle mehr. Aber auch die so modernen neuen IT Systeme kommen irgendwann an ihre Grenzen und brauchen wiederum selbst neue Ableger. Bei Zalando, Amazon und Co. wir längst nicht mehr so agil deployed wie in den ersten Jahren und entsprechend schwieriger wird es neue Geschäftsmodelle auf dem System zu entwickeln, vollkommen unabhängig wieviel Scrum & Microservices vorher in das Setup gesteckt wurde. Der Markt ist immer schneller. Die Effekte kann man sich bei Amazon meines Erachtens live anschauen, wenn man den wachsenden Abstand im Service Niveau zwischen Amazon Instant und Netflix beobachtet.

Analog zur IT geht es natürlich auch der Business Seite. Agile Methoden in einem Wasserfallumfeld haben wenig Bestand. Um das Bild er Antilope zu nutzen: Es bringt rein gar nichts die Antilope auf der Ziegenwiese in ein kleines Gatter zu stecken und zu hoffen, dass nun alles besser wird. Ich habe vor 1,5 Jahren mal einen „Otto find ich gut“ Artikel geschrieben und darin aufgezählt welche Grüne Wiese Arten sich die Otto Group aufgebaut hat, um diesem Dilemma gerecht zu werden. Auch wenn es dort noch viele Dinge zu tun gibt, spielen Otto und Springer in dieser Sache noch immer in einer eigenen Liga, während viele andere Unternehmen noch kleine Gatter bauen und Antilopenhüte verteilen.

Wenn Unternehmen schon so sein wollen wie Google, Amazon und Facebook, dann müssen ihre Schritte ähnlich konsequent sein. Der Umbau von Google in Alphabet ist so ein Schritt, der in klassischen Unternehmen gescheut wird. Da wird dann der Primat der Synergie (gleiches ERP, Logistik, Shop) über den Primat der Geschwindigkeit gestellt. Beim ECR Tag ist das aber bei jedem Vortrag ein zentrales Learning gewesen. Egal wie gut man plant, Leute einstellt oder Finanzmittel für Zukäufe bereitstellt – ohne die dafür notwendige Geschwindigkeit ist das alles recht wertlos. Diese Geschwindigkeit tut weh, weil sie nicht gewohnt ist und man dafür auf Planbarkeit verzichten muss. Ich merke das in jedem Spryker Pitch bei größeren Unternehmen. Wir verkaufen 50% Technologie und 50% Methodik die Entwicklungs- und Organisationsgeschwindigkeit in den Vordergrund stellt. Die Technologie ist einfach zu verkaufen, aber für die Akzeptanz der Methodik und auch die Arbeit in so einem agilen Setup muss mit vielen Konzernregeln gebrochen werden. Das ist in der Praxis gar nicht so einfach. Sollte sich der Ausdruck #smartgoat tatsächlich als Hashtag etablieren, gilt der Dank Lennart von Votum. Der hat mich bei der DMEXCO darauf gebracht.

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