EDV ServiceIn den letzten Monaten sind einige deutsche Unternehmen beim Thema Digitalisierung wach geworden und stellen teilweise erhebliche Budgets für den „digitalen Wandel“ bereit. Damit werden Plattformen „erneuert“, Startups gegründet und teilweise wird sogar in neue Unternehmen investiert. Das ist alles sehr löblich, aber dabei wird gerne ignoriert, dass zwar Geld aber keine Strukturen für das interne Investment vorhanden sind. Das ist weniger kritisch, wenn das Geld in neue Projekte außerhalb der Konzern IT investiert wird, aber „Plattformen erneuern“ betrifft meistens den Kern der IT. Ich habe sehr lange nicht verstanden, warum sich große Unternehmen so schwer damit tun ihre IT in den Griff zu bekommen, um mit Amazon & Co. auf Augenhöhe zu agieren. Erst beim Querlesen von Holgers Inhalten in unserem E-Commerce Buch ist mir das Dilemma klar geworden. In Kapitel 2 dreht sich alles um die klassische Wertschöpfungskette im Handel, die jeder BWL Student in dieser Form schon einmal gesehen haben dürfte. Geld verdient wird mit Produktion, Marketing, Kundenservice usw, während die „unterstützenden Aktivitäten“ mit IT und HR dafür da sind diese Hauptwertschöpfung zu… unterstützen.

Wertschöpfungskette

In Anlehnung an Gabler

Diese Einteilung in Primäraktivitäten und Unterstützungsaktivitäten entspricht in der Regel der Vorstandsstruktur in größeren Unternehmen. Das habe ich zu meiner Schande noch nie so bemerkt. Jede wichtige Primäraktivität hat in der Regel einen zuständigen Vorstand während der „Rest“ von ebenfalls einem Vorstand betreut. Je nach Unternehmen heißt es dann manchmal „Vorstand Personal und IT“ oder „Vorstand Finanzen und IT“. Egal wie die Bezeichnung dieser Vorstände ist, nach E-Commerce Maßstäben haben die wenigsten ein ausreichend großes Verständnis von IT. Nur um es klar zu stellen: Das ist maximal diplomatisch ausgedrückt. Meistens sitzt in den Unternehmen noch ein Geschäftsführer oder Direktor für die Konzern IT, der neidisch auf die neue Generation von Handelsunternehmen (E-Commerce) schaut und sich ähnliche Budgets für seinen Bereich wünscht, aber er/sie ist eher in einer verwaltenden Funktion tätig und verbringt einen nicht unbedeutenden Teil seiner Zeit damit dem Vorstand „Personal und IT“ zu erklären, warum das Update des ERP Systems oder die Einführung eines PIM System so teuer ist. Man hätte sich doch schließlich für eine große Standardlösung (SAP, IBM, …) entschieden, damit die Kosten nicht aus dem Ruder laufen. Soweit, alles bekannt.

Bisher war das nur lästig, aber für die meisten Unternehmen noch nicht unternehmenskritisch. Durch die „Digitalisierungsstrategie“ erklärt man diesen Bereich aber als unternehmenskritisch und ganz plötzlich muss der „Vorstand Personal und IT“ dafür sorgen, dass der Laden wieder auf Trab kommt. Er muss also die [IT Transformation] [gestalten], um die mangelnde [Unternehmensstrategie] zu kompensieren. Drei [*] Aufgaben für die er nicht eingestellt wurde und die gar nicht in seine Kernkompetenzen fallen. Ich weiß, vielen Vorständen tue ich jetzt unrecht, aber in der Regel sieht es schon so aus.

Der Vorstand soll in einem gewissen Rahmen also die Aufgaben eines CTO übernehmen. Hin und wieder wird auch versucht diese CTO Rolle dem GF/Direktor für IT anzudienen, weil der Vorstand sich schon um genug Themen zu kümmern hat. In anderen Fällen wir ein Behelfsvorstand/-direktor eingerichtet, der die IT umstrukturieren soll und die CTO Rolle übernehmen soll. Vom Profil sollte er meistens so sein wie Lars Jankowsky oder Matthias Schrader, die ich sehr schätze. Redegewandt, IT erfahren, gesalbt mit digitaler Weisheit. Mal ganz abgesehen davon, dass solche Leute am Markt kaum zur Verfügung stehen, warum genau sollten sie das über einen längeren Zeitraum für ein Festgehalt machen? Sie bekommen ein meist zu kleines Budget und die Aufgabe eine oft über hundert Mitarbeiter große Mannschaft auf Technologien, Prozesse und Methoden umzustellen, die anders sind als das bisher Bekannte. Solche Projekte machen meistens Ärger, oder hat jemand  von euch schon einmal einen Betroffenen während/nach so einem Projekt sagen gehört: „Das hat großen Spaß gemacht. Das machen wir direkt noch mal!

Wenn die Suche nach dem CTO scheitert, bleibt es doch am Vorstand hängen. Technisches Zielbild sind zur Zeit Google, Facebook und Amazon. Alle bestechen mit enormer technischer Kompetenz in der Führungsetage. Auch wenn man einen „echten“ CTO in einem klassischen Vorstandsgremium installiert, bleibt er in der Minderheit. Der technische Anspruch dürfte aber nur erfüllbar sein, wenn das Gremium IT und ggf. auch Personal in den Mittelpunkt der Wertschöpfung stellt. Unvorstellbar für die meisten Unternehmen, aber darin liegt zurzeit eine große Chance. Gelingen könnte das kurzfristig in Unternehmen die in Private Equity (PE) Hand sind, weil es dort sehr wenige politische Hürden für einen Umbau in der Organisation gibt. Nils und ich haben mit eTribes in den letzten Jahren in diversen M&A Projekten mitgewirkt und immer wieder die Frage gestellt: Wie funktioniert das PE Geschäft, wenn klassische Optimierungswerkzeuge (Produktionsoptimierung, Kooperationen, Synergien durch Zusammenschlüsse…) nicht mehr funktionieren? Der Aufbau von Führungsstrukturen, die großen E-Commerce Unternehmen ähneln mit CTO, COO und CPO dürfte eines der neuen Werkzeuge sein. Große Unternehmen in Familienhand bzw. mit Börsennotierung können dieses Verhalten nur nachbilden, wenn sie ihr Geld in neue Projekte stecken, die ab Start mit so einer Führungsstruktur ausgestattet werden. Das ist zwar unbefriedigend für die Kernorganisation, aber was ist die Alternative?

Das E-Commerce BuchMehr zu den Themen Wertschöpfungskette, E-Commerce Strategie und zur Bewertung diverser digitaler Geschäftsmodelle finden sich im Juni 2015 erschienenen „Das E-Commerce-Buch“ von Holger Schneider und Alexander Graf. Bereits nach kurzer Zeit führt das Buch diverse Bestseller Listen bei Amazon an und wurde im Schnitt mit 5 Sternen bewertet. 39,90€ Euro, 305 Seiten, 20 Jahre E-Commerce Know How.

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