KlickenÜber die Osterzeit gab es mal wieder Raum zum Nachdenken und mich hat vor allem eine Präsentation beschäftigt, die Matthias Schrader vor kurzem online gestellt hat. Dort beschreibt er das Gafa Problem – Google, Apple, Amazon und Facebook beherrschen große Teile des (westlichen) Internets, indem sie den Zugang zum Netz kontrollieren. Sie sind extrem geschickt darin diese Position zu verteidigen und auszubauen. Es gibt in der Präsentation ein Chart zu den Vertikalisierungsbemühungen der Anbieter und ich stimme ihm in großen Teilen zu. Wer dagegen auf Wunder hofft, ist mit den Thesen von Scott Galloway gut bedient. Wer den Zugang zum Kunden kontrolliert, kann die ganze Wertschöpfungskette kontrollieren. Diese Beobachtung ist für alle Jubelperser der neuen „Plattformen“ um Uber, Airbnb und Co. zentral, weil sie grundsätzlich die Stabilität von Geschäftsmodellen hinterfragt, die zentral von den Gate Keepern abhängig sind.

gafa

Dieser Gedanke folgt mir schon recht lange, aber so schön wie Mattes konnte ich es noch nicht zu Papier bringen. Ich finden den Zusammenhang so wichtig, dass ich bei allen Fragestellungen zur Bewertung von Geschäftsmodellen eine Gafa Abhängigkeit in der Regel als K.O. Kriterium sehen würde. Händler bei Amazon? Nur von Amazons Gnaden. Flugsuchmaschine? Nur solange Google den Traffic zuführt? Beste Laufapp? Solange Apple das Ranking im Appstore entsprechend zulässt….usw. Damit würde ich allerdings nicht ausschließen wollen, dass sich neue Gatekeeper dieser Gruppe anschließen, wie zum Beispiel Alibaba.

Jeder Hinweis auf Ideen und Methoden aus der Gafa Abhängigkeit herauszukommen führt bei mir also automatisch zu großer Verzückung. Die Alternative ist meistens auch „nur“ eine Art Gafa für die entsprechende Nische zu werden. Auf der Suche nach Gafa-Alternativen kam die Meldung des Amazon Dash Buttons gerade rechtzeitig. Bezeichnenderweise kommt eine der wenigen Ideen, die einen neuen Buchstaben im Gafa Alphabet schaffen könnte, von einem der bereits mächtigen Anbieter. Wem die famose 1. April PR von Amazon entgangen sein sollte, hier in Kurzform die Idee: Der Dash Button führt bei Benutzung zur automatischen Bestellung eines „Verbrauchsproduktes“ im Amazon Store. Das Konzept ist in der Erprobung und einige Hersteller experimentieren zusammen mit Amazon schon an Gerätschaften, die Verbrauchsgüter vollautomatisch nachbestellen. Dabei ist der Button dann gar nicht mehr notwendig. (Dash Replenishment Service). Letzteres halte ich für Quatsch, weil Hersteller so unnötigerweise noch stärker an Amazon gebunden werden und genau das versuchen sie gerade händeringend zu verhindern.

Ich halte Amazon Dash für den Anfang einer spannenden „Neue Eingabegeräte“ Initiative, die noch mal ordentlich am ©Kaufprozess (siehe Abbildung) rütteln dürfte. Strategisch ist das extrem spannend, weil das seit langer Zeit mal wieder ein Thema ist, was losgelöst von Smartphone und Rechner funktioniert – Bereiche die Gafa auf lange Sicht dominiert. Endlich mal etwas mehr als nur „noch eine App“. Und beim Thema Eingabegeräte gibt es in der Tat noch viel Innovationspotential. Wer Besitzer eines Apple TV oder des Amazon Fire TV ist, versteht warum es TV-Geräte Hersteller verdienen lediglich schlecht bezahlte Verwalter von Produktionsanalagen in Fernost zu sein. Wenn man sich das Bedienmenü eines neuen 55“ Flatscreens anschaut, fragt man sich schon, ob Usability Optimierung bei Samsung, Toshiba, LG und Co. jemals ein Thema waren. Ich schweife ab…

Kaufprozess-2015

Die „Initiative“ die ich glaube zu erkennen lässt sich aktuell an drei Beispielen festmachen:

Spannend bei der Diskussion um die Buttons, sind die Nutzerkommentare zu den einschlägigen Artikeln. So richtig vorstellen kann sich niemand, wozu man nun auf „jedem Produkt im Haushalt“ einen Button braucht und wie man denn wohl ausreichend Mechanismen verbaut, um die Kinder vor Missbrauch zu schützen. Wer braucht das schon? Diese Diskussion wurde sehr ähnlich schon nach der Ankündigung des iPad 1 geführt. Ob das Potential tatsächlich so groß ist wie beim iPad, weiß ich nicht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die Nutzungsszenarien der verschiedenen Buttons in ein bis zwei Jahren andere sein werden, als sie Amazon & Presse heute beschreiben. Ich bin übrigens selber Nutzer eines der Prototypen von P&G und dachte vor dem Test auch, dass doch niemand ernsthaft einen „Bestellbutton“ am Nassrasierer braucht. Mittlerweile bin ich aber sehr davon angetan, weil er viele Dinge des Einkaufs vereinfacht.

  • Sich merken müssen, dass man neue Rasierklingen braucht
  • Diesen Wunsch noch auf den Merkzettel bringen
  • Bei der Drogerie noch den richtigen Zettel dabei haben
  • Kaufen

Das alles fällt mit dem Bestellbutton weg und es fühlt sich sehr nützlich an. Jemanden, der das aber nie selber ausprobiert hat und seit eh und je zu DM fährt und Rasierklingen kauft, ist das aber schwer zu erklären. Genau hier würde ich meine Kritik an Rewe und Co. ansetzen, deren Innovationsbereitschaft beim Webshop aufhört, wobei es doch noch so viele andere nervige Shoppingprobleme vor dem Besuch des Webshops zu lösen gäbe. An das ausgehende Klopapier bei akuten Magen-Darm Themen mag ich noch gar nicht denken. Zurzeit werden solche Buttons noch sehr stark als Optimierung des ohnehin schon auf Männer zugeschnitten Kaufprozesses gesehen, aber ich bin mir sicher, dass zu diesen Anwendungsszenarios noch einige spannenden Themen dazukommen. Bisher sind es aber eher einfach zu erklärende und vorstellbare „Shortcuts“ die mit solchen Buttons gelöst werden.

  • Waschmittel nachbestellen (Amazon Dash)
  • Rasierklingen nachbestellen (Perfect Shave)
  • Google Maps aufrufen auf dem Smartphone (Flic)
  • Notfallsignal senden (Flic)
  • Musik abspielen (Flic)
  • ….

Alles Dinge die ohnehin schon sehr weit technisiert sind und die nun noch einfacher mit einem Button lösbar werden. Ja nach verwendeter Technologie könnten die Buttons auch geosensitiv reagieren, aber es gedanklich ist das alles noch sehr nah an der App Logik dran – so eine Art abgespecktes Smartphone zum Aufkleben halt. Trotzdem glaube ich, dass diese Art von Technologie für viele Konsumbereiche relevant sein kann. Deshalb haben wir bei Spryker ein F&E Projekt dazu aufgesetzt, um mehr über die Anwendungsszenarien und möglichen Technologien rauszufinden, und um selber Prototypen testen zu können. Für uns ist es erst einmal „nur“ ein weiteres Frontend (Yves), das wir sinnvoll bedienen müssen. Eine ganz zentrale Frage die mich dabei umtreibt ist die Frage nach dem „natürlichen“ Eigentümer der Schnittstelle. Aktuell positioniert sich Amazon mit dem Dash Projekt. Eine proprietäre Initiative wie Flinc dürfte nie über eine kleine Fanbasis hinauskommen. Dafür fehlen die Organisation und das entsprechende Kapital. Wenn man sich überlegt, dass Buttons bei hoch frequentierten Kaufprozessen zum Einsatz kommen sollte, dann wäre ein Supermarkt wie Rewe oder ggf. eine Drogeriekette wie DM ein sehr spannender „Eigentümer“ der Technologie. Der Eigentümer muss ein hohes Eigeninteresse haben (Umsatz, Daten, Kundenbindung…) und im Idealfall über den Tellerrand schauen können, um Anwendungsfälle für Dritte mitzudenken. Der Schritt zum Button Ökosystem müsste also eingebaut sein. Amazon kann das niemand mehr glaubwürdig abnehmen und alle Hersteller mit seriöser E-Commerce Strategie werden wahrscheinlich sich vor einer Kooperation sträuben. Als Anbieter von Hardware fürs Heim kann man sich auch Gedanken machen. Das könnten Hersteller von Routern sein oder DECT Telefonen, allerding ist eher damit zu rechnen, dass sich Nest & Co. den Markt sichern, weil sie strategisch schon weiter sind. Gafa gewinnt.

Das E-Commerce BuchMehr zu den Themen Ökosysteme, E-Commerce Strategie und zur Bewertung diverser digitaler Geschäftsmodelle finden sich im Juni 2015 erschienenen „Das E-Commerce-Buch“ von Holger Schneider und Alexander Graf. Bereits nach kurzer Zeit führt das Buch diverse Bestseller Listen bei Amazon an und wurde im Schnitt mit 5 Sternen bewertet. 39,90€ Euro, 305 Seiten, 20 Jahre E-Commerce Know How.

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