karstadt_logoAls ich vor ein paar Wochen in dem Fachmagazin Der Handel etwas über die juristische Auseinandersetzung von Karstadt mit dem Magazin gelesen habe, war das für mich Anreiz genug mich selber mit dem Unternehmen auseinanderzusetzen. In den letzten Monaten haben mich die Berichte zur Sanierung von Karstadt kaum noch interessiert, ich ging und gehe fest davon aus, dass das Unternehmen in der heutigen Form nur noch kurze Zeit überleben kann. Zu diffus ist das Geschäftsmodell, zu unbedeutend ist das Gesamtkonzept in Zeiten des Onlinehandels geworden. Wer braucht schon noch einen Gemischtwarenanbieter von Bettwäsche, Handtüchern, Koffern und Damenmode etc. an zentral gelegenen Einkaufsplätzen in den Städten? Wer geht überhaupt noch an diese Plätze um einzukaufen? Karstadt ist einer der letzten Kaufhausdinosaurier, denen man live beim Untergang zuschauen kann. Einer der wenigen Gewinner bei diesem Untergang wird wohl der Karstadt-Investor Nicolas Berggruen sein, der sich mit einem famosen Deal vor zwei Jahren für wenig Geld viele Immobilien in hervorragender Lage in ganz Deutschland sichern konnte und diese nun vermarktet. Damit hat er zwar aus meiner Sicht seine gute Reputation komplett gegen kurzfristige Renditen eingetauscht, auch wenn die Zeit.de z.B. hier nur Fehler und keine Absicht vermutet. Die moralische Seite dieses Investments steht bei Kassenzone allerdings nicht im Fokus. Das können Journalisten sicher besser und neutraler beurteilen als ich. Ich möchte meinen Artikel zu Karstadt an dieser Stelle dafür nutzen, um herauszuarbeiten wie schwer es reine Handelskonzepte im stationären Umfeld bereits haben und zukünftig noch haben werden. Zu diesem Thema gibt es überall einen sehr spannenden Diskurs und ich hoffe, dass ich Unrecht habe und wir auch zukünftig die Tante Emma Läden an vielen Ecken sehen werden.

Wo steht das Karstadt Geschäftsmodell heute?

Das von Karstadt beklagte Magazin „Der Handel“ reflektiert alle größeren und kleineren Meldungen zum Unternehmen. Die Suche nach Karstadt ergibt allein auf „Der Handel“ über 150 Ergebnisse und diese prophezeien in der Summe sehr wenig Hoffnung für Karstadt.

Von streikenden Mitarbeitern über fehlende Investitionen, festgefahrene Verdiverhandlungen, drohende Mieterhöhungen, bevorstehende Schließungen, letzten Chancen und verfehlte Sanierungsmaßnahmen ist dort die Rede. Von erfolgreichen Sanierungsmaßnahmen ist dort kaum etwas zu lesen. Am positivsten sieht es dann schon meiner Meinung nach im neu gelaunchten Onlineshop von Karstadt.de aus, auch wenn ich es nicht geschafft habe die stark beworbenen Click und Collect Funktion zu nutzen. Ob die umsetzende Agentur Sinnerschrader nun langfristig mit Wartungsumsätzen rechnen kann, wage ich aber zu bezweifeln. Der Shop sieht aber schön aus. Genauso schön sehen die neu gestalteten Filialen aus, aber am Geschäftsmodell hat das nicht viel geändert. Noch immer ist Karstadt ein Gemischtwarenladen in teuren Innenstadtlagen mit viel Personal. Dieses Personal ist im Weihnachtsgeschäft sicherlich bei der Beratung der Kunden hilfreich, aber sonst…? Ob es reicht ein paar neue Marken (z.B. Topshop) auf die Fläche zu bekommen, wage ich zu bezweifeln. Ich habe wirklich versucht ein paar positive Berichte zur Entwicklung des Geschäftsmodells zu finden, aber es fällt mir schwer etwas Relevantes zu finden. In der aktuellen Form ist Karstadt aus meiner Sicht nicht überlebensfähig. Dafür braucht es wohl noch nicht mal den stark wachsenden Onlinehandel – auch das Wachstum der vertikalisierten Mode- und Accessoires Anbieter hätte ausgereicht. In Summe: Fehlende Kunden, fehlende Attraktivität, unbekannte Strategie, schlechte Presse = Karstadt geht es anscheinend schlechter denn je. Und aus meiner Sicht entwickelt sich die Flächenproduktivität aufgrund des gerade boomenden E-Commerce schnell nach unten. Für 2006-2012 war bisher noch kein E-Commerce Effekt in der Flächenproduktivität ablesbar. Dieser (kommende) Abwärtstrend ist in den Berichten über Karstadt und in der vermeintlichen Strategie noch gar nicht berücksichtigt.

Flaechenproduktivität

Wohin kann sich Karstadt noch entwickeln?

Nehmen wir mal an, dass Karstadt noch mal eine Chance bekommt und einen signifikanten  Betrag in alle vielversprechenden Bereiche investieren dürfte. Welche Investitionen könnten sich als vielversprechend erweisen?

  • Perfektion des Multichannelansatzes. Online bestellen, offline abholen. Offline schauen, online bestellen… inkl. aller technischer Spielereien, die für den Kunden das Leben angenehmer machen könnten. Die aktuelle Web-Variante ist ja nur ein Vorgeschmack des technisch Möglichen.
  • Investition in noch tollere Marken, Shop in Shop Konzepte und eine deutliche Straffung des Sortimentes (weniger Tinnef)
  • Investition in die Gebäude (schicker, heller, schöner, bequemer) und in die Art der Flächengestaltung: „Wie bei Apple…. mit Cafécharakter….“.
  • Schulung des Personals für noch mehr Service und Kundenorientierung.

Angenommen das passiert alles und ggf. sind sogar noch die Preise für die Produkte entsprechend aggressiv geplant. Würde sich dann etwas an der Situation von Karstadt ändern? Genau das suggerieren ja die aktuellen Diskussionen und die Kritik der Gewerkschaften. Würden dann wieder mehr Kunden in die Kaufhäuser kommen und kaufen? Ja, wahrscheinlich. Würde sich das Geschäftsmodell dann wieder lohnen? Nein, wahrscheinlich nicht.

Ich bin offen für echte Optionen. Was sollte Karstadt tun? Bessere Lagen für stationäre Geschäftsmodelle sind kaum auffindbar, auch wenn ein wesentlicher Teil der Premiumobjekte nun an Benko verkauft worden ist. Meine Prognose für den Rest von Karstadt ist zweigeteilt. Das Geschäftsmodell wird voraussichtlich früher oder später vom Markt verschwinden. Die guten Immobilien werden von vertikalisierten Händlern oder Shoppingcenterbetreibern höchstwahrscheinlich zweitverwertet. Die schwächeren Immobilien finden entweder Liebhaber oder bleiben vermutlich leer.

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