rocket-internet-logoIn der letzten Woche hat das Manager Magazin eine kleine Artikelserie über Rocket Internet gebracht. Die Basis dafür waren „geheime“ Investmentunterlagen, die von Rocket Internet für Investorenpräsentationen verwendet werden. Den Stil des Manager Magazins, diese Unterlagen online zu stellen, mag man durchaus kritisieren, für alle Brancheninteressierten ist das aber eine sehr schöne Gelegenheit mal etwas genauer auf das Rocket Reich zu schauen. Immerhin ist Rocket Internet das mit Abstand agilste, umstrittenste, größte…. Internetunternehmen in Europa, wenn man sich nur reine Internetunternehmen anschaut. Umso erstaunlicher ist die sehr geringe und sehr unkritische Medienresonanz auf das Thema. Die t3n hat kurz darüber berichtet, Golem hat lustlos die Phrasen aus der Präsentation abgeschrieben und Jochen hat sich zumindest die Mühe gemacht die Informationen zu interpretieren. Zusammen mit den Veröffentlichungen des Rocket Hauptsponsors Kinnevik (ca. 1,1 -1,4 Mrd. Investment), ergibt sich aber ein doch recht spannendes Bild von Rocket und ihren Plänen. Bevor ich mich zu einigen Thesen hinreißen lassen, lohnt sich ein Blick in die Charts beim Manager Magazin. Wer schon immer mal wissen wollte wie McKinsey/BCG/Standardberatungscharts aussehen, wird hiermit auch sehr gut bedient.

  • E-Commerce will win: Dieses Chart erklärt, warum E-Commerce so toll ist. Bei genauer Betrachtung erklärt es eigentlich nur, warum Online Handel dem stationären Kaufhausgeschäft überlegen ist, aber für den ein oder anderen unbedarften Investor klingt das sicherlich schlüssig.
  • E-Commerce Voraussetzungen. Dieses Chart habe ich sicherlich schon in 50 verschiedenen Versionen gesehen. Damit versucht man einen Zusammenhang zwischen technischen Faktoren (z.B. Breitbanddurchdringung) und E-Commerce Potential herzustellen. Meistens liegt man damit aber falsch, insbesondere bei der Ableitung des Timings.
  • Zalando USPs. Ein paar spannende Fakten zu Zalando. Interessant finde ich die genannten Zalando USPs (Auswahl, Convenience, Lieferzeit, Fulfillment). Das sind mE gar keine USPs, sondern „nur“  Hygienefaktoren für erfolgreichen Onlinehandel.
  • Zalando = ZARA. Rocket sagt, dass Zalando so funktioniert wie ZARA, allerdings ohne die teuren Stores. Bei dem Chart bin ich vor Lachen fast vom Stuhl gefallen. Zalando ist mE nur ein gut gemachtes Online Kaufhaus ohne die Lock In Effekte die ein ZARA bei seinen Kunden verankert.
  • Home 24 = IKEA. Die gleiche Story wie mit ZARA erzählt Rocket zu Home 24 und IKEA. Diese Analogie hat aus meiner Sicht sogar noch mehr Bullshitpotential, aber dazu schreibe ich in den nächsten Wochen noch etwas ausführlicher.
  • Jahresumsatz = 12x Monatsumsatz: Auf einem Chart mit den gerade aktuell kapitalsuchenden Unternehmen stellt Rocket den Jahresumsatz als Novemberbruttoumsatz x 12 dar. Jochen Krisch hat das in seinem aktuellen Podacst schon kritisiert. Der November ist ein Monat mit hohen Umsätzen, getrieben durch das Weihnachtsgeschäft und gepaart mit Sortimenten die gerne mal 50% Retouren unterliegen. Ohne Weihnachtseffekt und nur mit Nettoumsätzen würde man deutlich kleinere Zahlen sehen.
  • Südostasien und Afrika: Die GuV Charts zu diesen Märkten zeigen, dass die Markterschließung extrem teuer sein kann. Ob diese Wette von Rocket Internet aufgeht, muss sich erst noch zeigen. Dafür müssen schon sehr viele kleine Wetten (Penetration, Kaufverhalten, Logistik…) aufgehen. Mutig!

Ich bin bezüglich Rocket Internet ein wenig ernüchtert. Die Präsentation mag für die weitere Kapitalakquise funktionieren, aber die Art der Argumentation finde ich schon sehr platt. Rocket Internet hat sich mit dem Standard Online Kaufhausmodell (Zalando, Zalora, Dafiti….) in eine aus meiner Sicht sehr schwierige Position manövriert. Online Kaufhäuser sind ein Nullsummenspiel, wie es Mikitani in seinem Marketplace 3.0 Buch beschreibt. Ohne zusätzliche Geschäftsmodelle mit echten Lock In Effekten oder einer deutlichen Vertikalisierung des gesamten Systems (siehe Amazon oder Otto) wird es schwer mit diesem Modell Geld zu verdienen, geschweige denn eine ordentliche Kapitalverzinsung zu erwirtschaften. Das sieht mir alles sehr knapp gerechnet aus. Da darf wirklich nichts schiefgehen, um den hohen Kapitalbedarf dieser Modelle & dieser Strategie mittelfristig über externe Kapitalgeber weiterhin finanzieren zu können. Dementsprechend langweilig sind auch die weiteren Expansionsvorhaben. (siehe Chart 11 in der Heinemann Kegel Präsentation). Innovative Geschäftsmodelle vermisse ich im Rocket Portfolio. Diese sind zwar nicht so schön berechenbar (vs. Zalando & Co.), aber sie bergen oft erhebliches Lock In Potential.

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