Im letzten Beitrag habe ich als Kontra Argument für den Aufbau eines (Lame Commerce) Geschäftsmodells im E-Commerce u.a. aufgeführt, dass die stationären Händler/Hersteller in den Markt drängen. Das ist grundsätzlich zwar richtig, allerdings muss man zwischen verschiedenen Phasen des E-Commerce Eintritts unterscheiden. Die meisten stationären Händler sind noch in den Phasen 1-3. Diese Phasen gelten übrigens nicht nur für stationäre Händler/Hersteller, sondern für alle Marktteilnehmer die bisher kaum etwas mit dem Verkauf von Gütern über das Internet zu tun hatten. Erstaunlicherweise durchlaufen alle diese Marktteilnehmer fast alle Entwicklungsphasen. Es gelingt aufgrund der Steuerungsmechanismen & Unternehmenskultur in den Unternehmen in der Regel nicht Phasen zu überspringen und direkt an die Spitze zu drängen. Unterschiede sind mE nur in der Dauer der einzelnen Phasen in den jeweiligen Unternehmen zu finden.

Phase 1: Ablehnung

  • Meinung des Chefs: „Unserem Unternehmen geht es doch gut. Dieses Internet Dingsbums spielt gar keine Rolle. Wir verdienen auch so ausreichend viel Geld und im Internet steckt außerdem der Teufel, weil unsere Waren bisher immer als Fake bei eBay verkauft wurden.“
  • Umsatzanteil: 0%
  • Typische Entscheidungsstruktur: Der CEO, Geschäftsführer oder der Markenverantwortliche verhindern den Sprung zu Phase 2. Die Informationen bezieht der Entscheider aus Tagesschau & Co.
  • Beispielunternehmen: Viel im KMU Umfeld zu finden.
  • Dauer der Phase: Unbegrenzt bis zur Veränderung der Branche oder des eigenen Cashflows
  • Lösungsansätze: Leider keine. Die Veränderung erfolgt ggf. durch einen Wechsel im Top Management oder durch externe Einflüsse wie z.B. der sinkenden Profitabilität.

Phase 2: Die Flashseite

  • Meinung des Chefs: „Naja, es kann ja nicht schaden, wenn die Kunden sich zumindest über die aktuellen Produkte im Internet informieren können. Wichtig wäre mir aber, dass die Marke auch richtig gut präsentiert wird. Herr HeadofMarke: Bitte setzen sie das doch um.“
  • Umsatzanteil: 0%
  • Typische Entscheidungsstruktur: wie Phase 1
  • Beispielunternehmen: Louis Vuitton
  • Dauer der Phase: mehrere Jahre, sonst wie Phase 1
  • Lösungsansätze: Hohe Kundennachfrage über das Flash-Kontakt-Formular. Ansonsten wie Phase 1.

Phase 3: Erste Backendveränderungen und Mitarbeiter

  • Meinung des Chefs: „Ich glaube wir müssen da mehr machen. In der FAZ stand neulich ein Artikel dazu, dass [wesentlicher Wettbewerber] da bereits Erfolge verzeichnet. Stellt da mal jemanden in der IT Abteilung ein, der sich mehr um die Website kümmert.“
  • Umsatzanteil: <5%
  • Typische Entscheidungsstruktur: Immer noch wie in Phase 1 & 2, aber ggf. mit Online affinen Marketing Chef/Mitarbeiter
  • Beispielunternehmen: IKEA, Mediamarkt
  • Dauer der Phase: mindestens 1-2 Jahre, danach Eintritt in Phase 4 oder zurück auf 1
  • Lösungsansätze: Regelmäßig Wettbewerbsberichte für den Chef in denen deren Online Erfolge deutlich werden

Phase 4: Interne oder Externe Skalierung – profitables Beigeschäft

  • Meinung des Chefs: „E-Commerce ist für mich ganz wesentlich. Wir müssen da mehr tun und unsere Umsätze steigern. Können wir uns da vielleicht extern verlängern? Vielleicht sollten wir den Meier aus der IT in die Marketingabteilung versetzen. Da sollten wir langsam Gas geben. Wichtig wäre mir, dass durch die Aktivitäten das Geschäft in den Läden nicht gefährdet wird. Unsere Kunden wollen vor allem im Laden kaufen.“
  • Umsatzanteil: 10-20%
  • Typische Entscheidungsstruktur: Entweder Aufbau einer eigenen Online Abteilung, oder Auslagerungen fast aller Entscheidungen an einen Dienstleister á la Heycom oder NextCommerce.
  • Beispielunternehmen: Esprit
  • Dauer der Phase: 2-5 Jahre je nach Unternehmen. Ggf. schnelle Einstellung (wie bei C&A 2001), wenn zu viele Prozessprobleme auftreten.
  • Lösungsansätze: Der Weg ist schon ziemlich gut. Jetzt gilt es dranzubleiben.

Phase 5: E-Commerce wird Schwerpunkt des Businesses

  • Meinung des Chefs: „Was machen die bei Amazon und Zappos nur so gut? Wir müssen auch agiler werden! Holt mir mal ein Team von BCG. Wir brauchen eine führende Online Strategie.“
  • Umsatzanteil: ~50%
  • Typische Entscheidungsstruktur: Altes Management übernimmt auch Online Entscheidungen. Intensives Inhousing.
  • Beispielunternehmen: Neckermann
  • Dauer der Phase: Bis Online Umsätze wesentlich das Ergebnis tragen.
  • Lösungsansätze: Insgesamt OK, ggf. Probleme auf der Know How Ebene.

Phase 6: Ausweitung der Online Aktivitäten über Kerngeschäft hinaus

  • Meinung des Chefs: „Die von BCG haben gesagt, dass wir den Markt proaktiver bearbeiten müssen – Inkubatoren und so. Die haben da auch schon ein Konzept für uns. Ich glaube wir sollten die 2 Mio. dafür investieren. Ich habe da ein gutes Gefühl.“
  • Umsatzanteil: >50%
  • Typische Entscheidungsstruktur: Top Management in alle Entscheidungen eingebunden. Das führt zu hoher Visibilität des Online Themas, aber ggf. zu falschen Entscheidungen, weil von extern motiviert.
  • Beispielunternehmen: Staples
  • Dauer der Phase: unbegrenzt je nach Liquidität
  • Lösungsansätze: Mehr internes Know How aufbauen, selber treiben und nicht treiben lassen. Phase 7 extrem schwer erreichbar.

Phase 7: Führender Pure Player

  • Meinung des Chefs: „Fuck – ich will jetzt auf jeden Fall diese solarbetriebenen Akkus entwickeln. Mir ist scheißegal was die Marktforschung dazu sagt. “
  • Umsatzanteil: ~100%
  • Typische Entscheidungsstruktur: Eigengetrieben, hohe strukturelle Agilität, ggf. Chef mit IT Hintergrund.
  • Beispielunternehmen: Amazon
  • Dauer der Phase: 5-15 Jahre
  • Lösungsansätze: keep going!

Phase 8: Loser

Der Goldrausch online hat leider auch Schattenseiten. Die Unternehmen (ab Phase 4) befinden sich aufgrund der Online Effekte insgesamt in einem sehr harten Innovations- und Geschwindigkeitswettbewerb. Es kann also wieder schnell bergab gehen. Beobachten konnte man das z.B. bei AOL und z.T. Yahoo. Das dann zu durchlaufende Tal kann sehr lang sein, wenn die Ideen fehlen oder man den alten Online Geschäftsmodellen (z.B. Verkauf von Mailboxen) nachweint.

Wer kann sein Unternehmen in einer der Phasen einordnen?

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