Andreas Haug, Managing Director, eVenture Capital Partners

In Zeiten unsicherer Märkte, versiegender liquider Mittel und panischer Desinvestments interessiert uns, wie sich der Markt für Venture Capital, insbesondere im E-Commerce Bereich, verändert. Zu diesem Thema stand uns der Managing Diretor Andreas Haug von eVenture Capital Partners für ein Interview zur Verfügung.

Welchen branchenspezifischen Investmentfokus hat eVenture?
Wir haben keinen branchenspezifischen Investmentfokus, sondern segmentieren eher nach Geschäftsmodellen bzw. Technologien. Uns interessieren insbesondere Geschäftsmodelle, die transaktionsorientiert arbeiten und weniger auf eine Werbefinanzierung ausgerichtet sind. Innerhalb dieses Bereiches sind es E-Commerce und Subscription Modelle, die uns besonders interessieren.

In welcher Branche sehen Sie gerade die vielversprechenste Entwicklung?
Wir sehen u.a. sehr gute Chance im Bereich alternativer Zahlungsmethoden, z.B. Barter-Modelle oder auch Finanzierungs- bzw. Pfandhausmodelle. Auch im M-Commerce ist die Entwicklung, z.B. Couponing, besonders interessant, weil diese (Zahlungs-) Prozesse mobil Nutzer-/Nutzungsvorteile bieten.

Was sind die für Sie relevanten Entscheidungskriterien für ein Investment?
An erster Stelle steht das Team in seiner Zusammensetzung und seiner komplementären Kompetenzen, Erfahrung und der Motivation das Geschäftsmodell umzusetzen. Dabei interessiert uns auch, wie das Profil des Teams zu den sich verändernden Anforderungen im Lauf des Unternehmenswachstums passt. Ein Team, was für den Aufbau eines Startups fit ist (Marketing, Technologie,…), ist nicht unbedingt immer für die Skalierung (Logistikprozesse, Internationalisierung,…) eines GM geeignet. Dann ist es umso wichtiger, dass das Team bereit ist, sich diese Kompetenzen von außen zu holen bzw. entsprechend qualifizierte Führungskräfte in das Team aufzunehmen.
An zweiter Stelle kommt der Businessplan, aus dem hervorgeht, mit wie viel Realitätssinn und operativer Orientierung das Geschäft aufgebaut werden soll. Im Regelfall verbirgt sich hinter einem guten Startup solides Handwerk, was sich im Businessplan widerspiegeln muss. Dieser Pragmatismus und diese operative Orientierung sind für uns relevant.
Zudem muss das Geschäftskonzept in unseren Investitionsfokus passen.

Wie verändert sich der VC Markt in Deutschland durch die Finanzkrise?
Der VC Markt im Digital Business Bereich ändert sich dramatisch. Venture Capital Firmen, die neue Fonds auflegen wollen, haben aktuell erhebliche Schwierigkeiten neue Finanzmittel einzuwerben. Das in den Fonds vorhandene Kapital wird eher für Folgefinanzierungsrunden bei bestehenden Beteiligungen reserviert, als in neue Beteiligungen zu fließen. Das wird sich m.E. auch in den nächsten 1-2 Jahren aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht ändern. Neues Kapital fließt insbesondere dann in den VC-Bereich, wenn erfolgreiche Exits zu hohen Bewertungen möglich sind. Im aktuellen Marktumfeld ist das nicht zu erwarten, weil momentan kaum Investoren bereit sind, für hohe zukünftige Erwartungswerte zu bezahlen. Wir werden im Exit-Bereich in naher Zukunft eher Übernahmen durch strategische Investoren zu deutlich niedrigen Bewertungen erleben.
Viele bestehende VCs haben in dem Bullenmarkt der letzten Jahre aus heutiger Sicht viel zu hohe Bewertungen bezahlt und außerdem sehr breit investiert, anstatt sich auf wenige gute Investments zu konzentrieren und ein Polster für Anschlussfinanzierungen zu reservieren. Hier werden wir bei einigen Startups Schwierigkeiten bei Folgefinanzierungsrunden sehen, die dann wiederum zu niedrigeren Bewertungen führen werden. Bei eVenture Capital Partners streben wir aktuell bei den meisten Investments ein 1:1 Verhältnis zwischen Erstinvestment und Liquiditätsreserve für Folgefinanzierungen an. Das war in den vergangenen Jahren eher unüblich.

Die (Web-) Investorenszene in Deutschland ist ein eingeschworener Kreis. Ist das vor- oder nachteilig für Startups?
Es ist eher die Frage, wie ein Startup auf die Kapitalsuche geht. Wenn ein Startup sehr breit und undifferenziert auf die Kapitalsuche geht, dann ist dies ein Nachteil, weil in der Regel Exklusivität und Attraktivität eines Investmentvorhabens die Konzentration eines VCs auf das Thema erhöht. Ein Thema, das von allen Seiten an die VCs gebracht wird läuft Gefahr, in der Investorenszene zerredet und eher als uninteressant eingestuft zu werden.
Ein Startup ist gut beraten, wenn es sich bei der Suche nach einem VC ebenso verhält, wie es der VC bei der Auswahl seiner potentiellen Beteiligungsunternehmen tut. Die Startups müssen genau auswählen, welcher VC aufgrund seines Teams, Profils, Investmentfokus oder Track Records gut zum jeweiligen Geschäftskonzept passt.

Ist es ein Vor- oder Nachteil als Corporate VC der Otto Group aufzutreten?
Wir agieren nicht wie eine „verlängerte M&A-Abteilung“ der Otto Group und werden folglich auch nicht als klassische „Corporate“ Venture Capital Firma am Markt wahrgenommen. Wir sind ausschließlich den Investitionsleitlinien unseres Fonds verpflichtet und agieren von der organisatorischen Aufstellung und Entscheidungsfindung wie ein völlig unabhängiger VC. In vielen Fällen ist es aber für unsere Beteiligungsunternehmen von Vorteil, dass wir uns dort, wo es für das Startup sinnvoll erscheint, auf direktem Wege um Kooperationen mit Unternehmen der Otto Group bemühen können. Die Otto Group ist sehr international aufgestellt und im eCommerce weltweit die Nummer 2 – da gibt es dann schon operative, wertstiftende Anknüpfungspunkte.

Ist E-Commerce für Startups attraktiv bzw. gibt es wesentliche Unterschiede zu anderen Konzepten?
Es ist komplexer, weil man sich in der Regel in Geschäftsfeldern bewegt, die es auch in der Offline Welt schon gab. Viele E-Commerce Geschäftsansätze versuchen, bisher offline etablierte Wertschöpfungsprozesse skalierbarer oder effizienter online abzubilden. Das setzt natürlich eine detailierte Auseinandersetzung mit den Geschäftsansätzen im Offline Bereich voraus. Das betrifft zum Beispiel Fragestellungen zum Produktsourcing oder der Logistik. Erst wenn man diese Prozesse verstanden hat, kann man versuchen mit Online Lösungen noch besser zu werden. Insofern ist E-Commerce im Vergleich zu anderen Geschäftsmodellen oft deutlich komplexer .


Haben die vielen Copycat-Ansätze im Bereich Live Shopping aus Ihrer Sicht eine Chance in Deutschland?

Ich glaube, dass solche innovativen Geschäftsmodelle beim Kunden durchaus eine Chance haben. Die Frage ist eher, ob sie eine Chance als eigenständige Geschäftsmodelle haben, im Bezug auf ihre Kostenstrukturen und die anfallende Prozesskomplexität. Diese Geschäftsmodelle könnten auch ein sinnvolles „PlugIn“ für bestehende Händler bzw. Marken mit einer großen (trafficstarken) Website sein. Das könnte ein interessanter Exit Kanal sein.

Magento plant standardmäßig ein Shopping Club Modul in seinem System anzubieten. Das wird wohl zu einer Schwemme von Clubs führen. Wie schätzen Sie diesen Markt ein?
Ein Shopping Club ist meines Erachtens ein Konzept, das perspektivisch deutlich stärker an die Hersteller/Marken bzw. führende Händler heranwachsen wird. Aus Markensicht ist es zum Schutz der eigenen Marke eigentlich wichtig möglichst wenig E-Mails mit hoher Effizienz zu verschicken; und zwar im Optimalfall nur an genau die Kundengruppe, die auch kaufen wollen. Bei einigen unabhängigen Shopping-Clubs werden dagegen zu Marketingzwecken oft eher breite Verteiler genutzt, um mit der Attraktivität der Angebote neue Mitglieder zu werben. Wenn alle ggf. Millionen Mitglieder die gleichen Mails bekommen, dann versagt langfristig das Konzept als „diskreter Abschleusungskanal“ für Marken, da der potentielle Markenschaden höher ist als der Vorteil aus dem Resteerlös. Nischenclubs, die „Marken-kompatibel“ agieren, haben aber m.E. noch gute Marktchancen.

Wie schätzen Sie den Personalmarkt für E-Commerce Konzepte ein (Einkäufer, Vermarkter…)? Können die kleinen Konzepte ohne professionelle Mitarbeiter bestehen?
Ich glaube, dass es schwieriger wird. Eine besondere Schwierigkeit besteht darin, den Spirit eines Startups mit den Interessen von erfahrenen „Fachkräften“ zusammenzubringen. Viele Startups konnten sich oft ohne Branchen-Know how gut entwickeln, weil die etablierten Unternehmen die Marktveränderungen unterschätzt haben bzw. schlicht zu träge in der Umsetzung waren. Das ändert sich nach meiner Wahrnehmung. D.h. man benötigt jetzt für ein eCommerce-Startup mehr Fachexpertise. Die passenden Fachkräfte zu finden, ist aber nicht leicht. Wenn jemand Erfahrung im Einkauf hat, dann hat er die in der Regel deshalb, weil er 10-15 Jahre in einem großen Unternehmen in dem Bereich gearbeitet hat. Er hat sich an die Strukturen gewöhnt und hatte sicherlich Gründe in diesem Umfeld zu arbeiten. Eine Arbeit im Startup Umfeld kann nur dann erfolgreich sein, wenn ein solcher Mensch aus sich heraus erkennt, dass sich bspw. besondere Marktchancen ergeben bzw. das alte Geschäftsmodell substituiert werden wird. Erkenntnis + Erfahrung wäre also ein super Teamasset. Wenn ein Wechsel dagegen eher aus Frustration, Gier oder Unternehmensmüdigkeit erfolgt, sehen wir nur selten einen Teamfit. Was auf Powerpoint gut aussieht (20 Jahre Einkaufserfahrung, internationale Kontakte…) heißt noch lange nicht, dass es dann in einem Startup auch funktioniert.


Haben Sie noch Tipps für die Gründerszene in Deutschland?

Ich würde eine stärkere Orientierung an traditionellen Unternehmerwerten empfehlen und beim Aufbau des Businessplans und des Teams eine längere Betrachtungsperspektive zugrunde legen. Die Perspektive sollte nicht nur die nächsten 12 Monate beinhalten, sondern einzelne Entwicklungsphasen des Unternehmens mit Blick auf die Marktveränderungen, die wesentlichen KPI’s und vor allem eine solide Umsatz-, Kosten- und Investitionsplanung berücksichtigen. „Unternehmerische / Kaufmännische Grundtugenden“ wäre hier wohl das richtige Stichwort.

Vielen Dank für das Interview.


Profil eVenture Capital Partners:

Unser Ziel ist es, mit einem breiten Netzwerk, einer großen Start-up Expertise und dem direkten Zugang zu einem der weltgrößten eCommerce-Retailer die bestmögliche operative Entwicklung unserer Beteiligungsunternehmen im Bereich „Digital Business“ zu unterstützen und eine maximale Wertsteigerung zu erreichen.Mit ihren Büros in Hamburg, San Francisco und Kiew agiert eVenture Capital Partners in einem starken internationalen Netzwerk mit erfahrenen Experten, potentiellen strategischen Partnern sowie anderen Venture Beteiligungsunternehmen im Digital Business.

Der Ankerinvestor in den eVenture Capital Partners Fund ist die Otto Group. Die Otto Group ist der zweitgrößte eCommerce Händler der Welt und baut seit vielen Jahren konsequent seine Geschäfte im „Digital Business“ aus. Die Otto Group ist mit 123 wesentlichen Gesellschaften in mehr als 19 Ländern weltweit tätig.

Gründung: 2008
Verwaltetes Kapital:
Mittlerer zweistelliger Mio.-Euro-Betrag
Transaktionsvolumen:
Min: 0,2 Mio. € – Max: 2 Mio. €
Branchenschwerpunkte:
Digital Business: (Handel / E-Commerce,
Multichannel, Communities/Social Networks, Mobiles Internet, IPTV)
Finanzierungsphasen:
Seed, Early-Stage
Geographischer Fokus:
Europa, USA
Investoren: Otto Group (Hauptinvestor)
Web: www.evcpartners.com
Mail: [email protected]

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