Ab Januar 2009 möchte die „Internet Corporation for Assigned Names and Numbers“ (ICANN) zulassen, dass jede beliebige Top Level Domain in jeder beliebigen Sprache registriert werden kann. Damit wäre es möglich die Domain microsoft.windows zu erstellen, oder hoch.haus. Das Thema ist in diversen Publikationen sehr intensiv diskutiert worden, ohne dass sich ein Meinungstrend, á la „das ist eine super Sache oder eben nicht“ herauslesen lässt. Unserer Meinung nach wird dieses Thema extrem wichtig für das Bild des Internets in den nächsten Jahren. Das „Warum?“ kommt gleich.

Einführend in das ganze Thema kann man sich mal den Artikel von Spiegel Online durchlesen. Dort habe ich das Thema übrigens auch zuerst aufgeschnappt. Bei Hüllelos ist man sehr skeptisch. Die Diskussion um das Thema in der deutschen Blogszene ist insgesamt noch eher klein. Ich kann mir aber vorstellen das da noch mehr kommt. In den typischen Foren von Heise und Golem wurde das Thema diskutiert, mit einem relativ klaren Ergebnis:

Neue TLDs sind mittlerweile doch nur noch Cashcows

Rechtlich scheint diese Geschichte nicht so gut anzukommen. Die ICANN hat eher das Bild einer Abzockorganisation – einige Pannen tun ihr Übriges dazu. Aber das gilt es hier nicht zu diskutieren. Die Diskussion auf bbc.co.uk konnte ich leider nicht komplett lesen, dafür waren die über 1.000 Kommenare einfach zu viel. Das Diskussionsergebnis ist zwar noch offen, insgesamt ist man aber auch dort eher skeptisch. Teilweise sind sehr amünsante Kommentare dabei. Ein sinnvoller Kommentar daraus:

I hope that people who sell merchandise over the Internet will still be identifiable according to their addresses as to the country of their location. That will continue to eliminate having to wade through entire websites to determine whether it is practical to carry on in them.

Auch bei den englischsprachigen Blogs ist man sich noch sehr unsicher. Readwriteweb versucht sich den Erfolg dieses Vorhabens über die schwache Akzeptanz von .eu, .asia und Co. herzuleiten. Dieser Ansatz ist verbreitet, aber greift viel zu kurz! Bei Slashdot ist die Stimmung auf die ICANN zumindest in den Kommentaren sehr bescheiden. Venturebeat steht der Sache etwas offener gegenüber („Das Internet ist so schnell – wen kümmert morgen noch .com„). Die Internetnews sieht langfristig Potenzial in der Sache.

Insgesamt sieht aber keiner so richtig viel Potenzial bzw. Anwendungsfälle für die neuen Domains. Hier und da kann man rauslesen, dass die neuen generischen Domains das Internet bewegen können, aber so richtig spricht das keiner aus. Die Kassenzone glaubt aber ganz fest an ein Erdbeben durch die neuen Domains. Aber nicht im positiven Sinne für jeden – und schon gar nicht für die vielen kommentierenden Domaingrabber. In der Diskussion ist erkennbar, dass sich Alle schon fest an das alte, kontrollierbare TLD Raster gewöhnt haben. Da fällt es schwer sich auf etwas Neues einzulassen. Das alte Raster könnte vereinfacht wir folgt aussehen:

Die klassische TLD Welt
Die klassische TLD Welt

Wenn ich heute eine (Internet-) Gechäftsidee habe, versuche ich einen sinnvollen (freien) Namen zu finden, verbinde den mit einer bestehenden TOP-TLD und los geht es. Wenn man fest an diese TLD Welt glaubt, dann sieht man jede Veränderung als Angriff. In den wenigsten Diskussionen wurden aber die verschiedenen Sichten aufgezeigt die so eine Veränderung mit sich bringen kann. Die folgenden Tabelle skizziert ein paar dieser Sichten.

Pro und Cons aus Stakeholdersicht

Je nach Anwendungfall kann die Öffnung durch die ICANN Fluch oder Segen sein. Für Unternehmen macht sowas zum Beispiel Sinn, wenn besonderes viele Subdomains unter einer Hauptdomain laufen. Statt kassenzone.wordpress.com könnte eine sinnvolle Domain auch kassenzone.blog sein. Man muss sich ingesamt von der Vorstellung verabschieden, dass unter einer TLD alle generischen Begriffe laufen. Man bewegt sich nun in ein TLD Long Tail der für verschiedenste Bereiche gut ist. Zlio könnte sich zum Beispiel die Domain .shop sichern, oder für ein Megaprojekt (.hafencity) könnten hinter einer eigenen Domain für das Projektmanagement verschiedene Inhalte abgelegt werden. Da ist noch viel möglich.

Die Sicht des Kunden ist aber wohl für die meisten relevant. Heute suchen sich die meisten Menschen noch den Weg über Suchmaschinen. Das wird morgen wohl auch noch der Fall sein, aber ich kann mir gut vorstellen, dass neue TLD auch eine Art Klassifizierungsraster darstellen, so dass man unter visit.[setze Ländernamen ein] jeweils eine Zugang zum Touristikangebot oder zu Einreiseämtern bekommt. Das ist noch weit weg, aber prinzipiell möglich. Mein Surfverhalten würde ich dann anpassen.

Krass übersehen wird auch die Relevanz von regionalen Anpassungen von Domains. Wir erwarten automatisch, dass weltweit jeder google.com, google.de o.Ä. schreibt. Über 75% der Menschen weltweit sind noch nicht online und die interessiert es überhaupt nicht was hinter .com und .net liegt. Die meisten davon sprechen keine Sprache mit indogermanischer Abstammung. Wenn diese Menschen einen Zugang zu relevanten Inhalten bei Domains in landestypischer Sprache bekommen, dann hat der entsprechenden Anbieter einen riesen Vorteil. Wir hätten doch auch keine Lust kyrillische Schriftzeichen in die URL einzugeben bzw. bei Google darauf zu klicken. Das Internet wird durch diese Reform wieder ein Stück lokaler. Das macht die Welt zwar komplexer, aber hey – auch ein wenig spannender. Die Komplexität haben wir versucht in der nächsten Abbildung zu skizzieren. Einfach nur „geilername.com“ reicht dann nicht mehr. Die Domain ist übrigens noch frei :-).

ICANN macht die TLD Welt komplexer
ICANN macht die TLD Welt komplexer

Was lernen wir daraus?

Die Reform der ICANN mag dieser Organisation eine Menge Geld bringen, aber das Internet wird dadurch wieder ein Stück spannender und bunter. Es lässt sich noch nicht beantworten, ob sex.com oder .xxx, langfristig das Rennen machen – ein paar Profiteure (siehe Tabelle) wird es aber geben. Aus Endkundensicht wird sich da auch noch eine Menge Spannendes tun. Die meisten Unternehmen werden sowieso langfristig ihre Domains sichern, wenn eine Art Klassifizierungsraster abzusehen ist. Je nach rechtlicher Einschätzung besteht dazu aber nicht so viel Eile. Also wir sagen: „We love ICANN.“

Übrigens: Es wird sicher bald Nachfrage für Subformen der ICANN geben, die den aufwändigen Registrierungs und Administrationsprozess gegen Gebühr für Unternehmen verwalten. Super Geschäftsmodell auch. (5% @ Kassenzone!)

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