PAV-LOGOAuf den ersten Blick ist es gar nicht so klar, aber das klassische Venture Capital Modell scheint auch ein Opfer der Plattformökonomie zu werden. Unter „klassisch“ verstehe ich ein Setup in dem ein mehr oder weniger erfahrenes Managementteam einen xx Mio. Euro Fund verwaltet und fünf bis zehn Investments pro Jahr macht – in der Hoffnung auf den einen großen Hit. Ich habe mit dem Project A Ventures Gründer Uwe Horstmann über den Zustand der Berliner VC Szene und natürlich über Project A Ventures unterhalten. Bisher war Project A vor allem als Inkubator bekannt, allerdings ist das so nicht mehr gültig und aktuell lässt Project A keine Gelegenheit aus sich als Operational VC darzustellen. Warum das so ist, erfahrt ihr im Gespräch mit Uwe. Das Problem klassischer VCs sprechen wir nicht explizit an, aber es gibt zwei Beiträge die ich euch dazu nicht vorenthalten möchte. 

Sam Altman, langjähriger Chef des berühmten Y Combinator, hat in einer legendären Stanford Reihe („Warum Konzerninkubatoren scheitern?„) über die schwindenden Möglichkeiten von Inkubatoren und VCs berichtet, um die Hitrate bei neuen Investments sicherzustellen.

Er beschreibt die Erfolgschancen eines Startups mit der folgenden Formel: Qualität der Idee x Umsetzungsqualität im Produkt x Qualität des Teams x Leistungsfähigkeit bei der Exekution ergeben die Basischance eines Startups. Dieser Wert wird dann mit einem Zufallswerts zwischen 0 und 100 multipliziert, der leider nicht beeinflussbar ist und aufzeigt, dass auch die besten Teams und gute Ideen manchmal scheitern.

Passend dazu gab es in der brandeins vom November 2016 einen schönen Beitrag („Intuition en masse„) zum Techstars Netzwerk, das man je nach Lesart als Nachfolgemodell klassischer VCs bezeichnen darf.

Doch solche Persönlichkeiten sind rar. Partner und Mitarbeiter können ihnen zuarbeiten, aber die kritischen Investitionsentscheidungen nicht abnehmen. Ausgerechnet die VC, die jede Geschäftsidee immer gleich ganz groß aufziehen, beziehungsweise global ausrollen wollen, hatten deswegen lange ein ziemlich provinzielles Geschäftsmodell, „not scalable“ im Start-up-Jargon, zu deutsch: nicht skalierbar. Kaum eines der großen VC hat internationale Niederlassungen, oft kommen sie nicht einmal über die eigenen Stadtgrenzen hinaus.

Auch Uwe sagt im Beitrag, dass es nicht mehr darum geht das Risiko neuer Investments zu managen sondern sich zu fragen wie man die Wahrscheinlichkeit erhöhen kann bei den wenigen Superhits dabei zu sein. Viel Spass beim Interview, das wieder unterstützt wird von Concardis und diesmal mit einem brandneuen „nativen“ Werbeformat aufwartet. Danke auch an „Susi“.

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Uwe Horstmann ist einer der vier ursprünglichen Gründer von Project A Ventures, wo er die Bereiche Dealflow, Product, und IT verantwortet und unter anderem für Neuinvestments zuständig ist.

Irgendein Zahnarzt findet sich immer für die Erstfinanzierung. Später wird’s schwieriger.

03:00

Alex: Läuft das noch so, dass ich euch als Junggründer einfach mal eine Mail schreiben kann, so à la: „Hey! Ich bin Benjamin. Kann ich mal vorbeikommen?“

Uwe: Grundsätzlich schon. Das bleibt ein sehr offener Prozess. Allerdings geben wir auf der Webseite die Empfehlung, sich lieber vorstellen zu lassen: Man kann auf LinkedIn gucken: Wir haben so viele Kontakte. Jeder kennt bestimmt jemanden, der wiederum uns kennt. Und das erhöht die Erfolgschancen immens. Von den Sachen, die kalt über die Inbox reinkommen, machen wir relativ wenig. Es ist ja auch ein Qualitätsunterschied: Ein Unternehmer sollte es schon hinkriegen, sich eine Intro zu besorgen.

Alex: Das deckt sich mit dem, was andere Investoren wie beispielsweise Andreas Haug von e.ventures sagen. Wir bekommen auch relativ viele Anfragen, ob wir zu euch den Kontakt herstellen könnten, denn wir kennen ja Florian Heinemann, der bei euch ist. Erhöhe ich also als Filter die Wahrscheinlichkeit, dass das klappt?

Uwe: Extrem. Es gibt ja drei Stufen: Du, beispielsweise, bist auf der ersten. Stufe zwei: Andere Gründer. Stufe drei: Sonstiges Netzwerk…

Alex: …Ich, „erste Stufe“ also…

Uwe: … klar. Das sind Leute, über die wir schon erfolgreich investiert haben.

Alex:  Und wir läuft das denn ab? Habt ihr so einen wöchentlichen Jour Fixe, wo ihr Sachen präsentiert, die ihr schon – etwa durch Telefonate mit den Gründern – ein bisschen vorgefiltert habt?

Uwe: Genau. Es ist ein klassischer „Funnel“, wie man es aus dem Online-Marketing kennt. So wird in jeder Stufe ausgesiebt. Der Trichter mündet in eine Präsentation mit der gesamten Partnerschaft. Wir sind mittlerweile fünf und stellen so etwas wie das finale „Gate“ dar. Wir entscheiden – mehr oder weniger in dem Meeting noch – ob wir das Investment so machen wollen.

Davor läuft aber schon ein relativ langer Prozess. Das macht der Anton Waitz, der auch Partner ist seit Mitte letzten Jahres. Ich bin ebenfalls dabei. Und wir haben zwei Investment-Manager, die in der Vorbereitung tätig sind. Wir durchleuchten die Unterlagen, erstellen unsere eigenen Berichte. Bevor es also zu so einer Präsentation kommt, produzieren wir schon an die 60, 70 Seiten Material zu so einer Firma.

Alex: Ihr seid seit fünf Jahren dabei. Hat sich in der Zeit irgendetwas an dem Prozess Unternehmensfindung geändert?

Uwe: Vieles, weil das gesamte Ökosystem sich geändert hat. Wir wurden früher als „Rocket-Abtrünnige“ angesehen und so als „Rocket – mal in Nett“ betitelt…

Alex: … Weil sich das genau so verhält!

Uwe: … und wollten damals mehr Inkubation machen: Also gemeinsam mit den Unternehmern eine Idee entwickeln. Das machen wir aber immer seltener, weil das der Markt gar nicht mehr so richtig braucht. Die Gründer sind eben sehr gut geworden. Die Firmen sind schon aufgebaut, wenn sie zu uns kommen. Um das mal überspitzt zu sagen: Früher haben beispielsweise die Leute von unserer Beteiligung PETS DELI das Hundefutter in der Küche selber gekocht. So etwas wird immer weniger. Es sind heute vielmehr ehemalige McKinsey-Berater, die Hundefutter produzieren lassen, weil das als Geschäftskonzept Sinn macht.

07:45

Alex: Bedeutet das im Umkehrschluss, dass man gar nicht so gut inkubieren kann, wie man das früher konnte? Ihr habt euch auch immer weiter vom reinen Ausfindigmachen bislang unausgefüllter E-Commerce-Nischen weiterentwickelt – eure Investition bei uns mit Spryker ist ja schon B2B-E-Commerce gewesen…

Uwe: Da ist was dran. Mir ist es wichtig, dass wir mit Project A ein Produkt für Unternehmer anbieten, damit wir die allerbesten Firmen für uns gewinnen können. So funktioniert Venture Capital als Branche: Du musst bei den allerbesten Gründungen dabei sein. Im Mittelfeld verbrennst du Unmengen an Geld. So denken wir sehr stark darüber nach, welche Unternehmer wir mit der Dienstleistung Inkubation an locken. Gelängen wir zur Überzeugung, dass wir damit Leute anziehen, deren Konzepte anderswo nicht funktionieren, würden wir das einstellen. So muss man etwa sehr stark auf Sachen wie Anteile-Verteilung achten, damit man keine Fehlanreize setzt.

(Alex bringt seine Bewunderung für den Erfolg von US-Inkubatorn wie TechStars oder YCombinator zur Sprache und verweist auf den bekannten Stamford Vortrag von Sam Altman. Hier geht Altman der Frage nach, warum – selbst bei einer massiven Selektion der Beteiligungen und bei allen YCombinator zur Verfügung stehenden Ressourcen – die Scheiternsquote nicht unter den Marktdurchschnitt zu drücken ist.)

10:45

Uwe: Die Fonds, die richtig gut sind, haben sogar eine überdurchschnittliche Scheiternsquote. Da sprechen die Amerikaner in Baseball-Analogien drüber: Wenn du auf Homeruns schlägst, musst du immer volle Kanne schlagen – und schlägst dann auch volle Kanne daneben, wenn es scheitert. Um in die Firmen reinzukommen, die sehr erfolgreich sein werden, greifst du zwangsläufig oft ins Klo. Wer erfolgreich sein will, muss sich an den Nicht-Mainstream herantrauen. Und hinnehmen, dass das kann grandios schiefgehen kann.

Der Versuch, mit solidem „Online-Mittelstand“ die Scheiternsquote zu optimieren, führt nicht zum großen Erfolg. Und eine hohe Fehlschlagquote bedeutet eben nicht eine geringere Trefferquote. Da liegt nämlich der Trugschluss. Wir haben eine relativ niedrige Scheiternsquote, was uns zu der Überlegung veranlasst, ob wir nicht zu wenig Risiko eingehen.

Alex: Führt das aber nicht zu Schwierigkeiten, wenn man Drittmittel investieren will? Etwa von den Ottos und Springers der Industrie? Ich gebe dir zwar recht, aber die Fonds in Deutschland sind in meiner Erfahrung eher risikoscheu.

Uwe: Das Gespräch läuft aber eher so, dass wir auf unsere Gesamtrendite verweisen. Da sieht jeder, dass die wenigen sehr Erfolgreichen die vielen Weniger-Erfolgreichen ausgleichen. Wir führen Verhandlungen also nicht über Fehlschlagquoten, sondern über die Nettoerträge von 25-30%, die große Kapitalgeber ja sehen wollen und wir auch erreichen.

13:30

Alex: Zurück zum Inkubieren: Ist das überhaupt skalierbar? Und wenn ihr nicht mehr auf der grünen Wiese neu gründen wollt, was braucht ihr für Ressourcen, um bestehende Gründungen zu unterstützen?

Uwe: Der operative Aufbau tritt schon in den Hintergrund, wenn man nicht mehr so ganz früh einsteigt. Wir spielen dann eine eher beratende Rolle. Aber die Fähigkeiten sind die gleichen. Eine Überzeugung, zu der ich gekommen bin: Mit dem Modell, künstlich Teams mit Ideen zusammenzubringen, findet man nur schwer gute Gründer. Dieses Konzept, mit dem Inkubieren auf Masse zu gehen und viele Ideen auf viele Leute abzufeuern, bis was dabei rausspringt, ist extrem schwierig.

So ist Inkubierren für uns zu einer Art Spezial-Werkzeug geworden für bestimmte Situationen. Ansonsten arbeiten wir mit den sehr guten Teams zusammen, die schon am Markt sind und sich mit ihren Ideen konkret beschäftigen.

15:00

Alex: Als ihr Project A gegründet habt, wart ihr Rocket-bedingt sehr E-Commerce-fokussiert. Jetzt wollt ihr – habe ich gelesen – im Bereich E-Health was machen. Welche Schwerpunkte habt ihr denn gerade?

Uwe: Für uns ist der Worst Case dann eingetreten, wenn irgendwo in der Zeitung steht: „Project A, der E-Commerce-Inkubator“. Wir haben uns diversifiziert. Zwar inkubieren wir noch hin und wieder E-Commerce Start-ups, aber das große Thema bei uns ist nun Operational Venture Capital – und das keineswegs auf B2C E-Commerce begrenzt. Das Umfeld ist ja auch zunehmend schwierig. Das liest man immer wieder bei dir: Für das Betreiben von undifferenziertem Online-Handel mit Drittmarken findet man auch kaum mehr Wagniskapital.

(Es sei denn, wendet Alex ein, man hat eine Idee, wie man sehr schnell wächst. Es folgt ein kurzer Rückblick über die sich verschiebenden Definitionen von „Groß“ im E-Commerce. Uwe erzählt von den Überlegungen bei Project A, wie man sich im E-Commerce differenzieren kann: Logistik, Preise… Es sei aussichtlos gegen Amazon. So seien vertikal integrierte Marken eher interessant, die exklusive Ware haben.

Aber auch im technologisch komplexeren Bereich B2B fühle man sich bei Project A zunehmend wohl. Wenn Goldgräberstimmung sei, müsse ja irgendwer die Schaufel herstellen – Tools wie Spryker etwa, womit man Konzepte großziehen könne. Und auch in Recherche-intensiven Bereichen wie E-Health habe man investiert – nur bislang nicht auf dem hochkomplizierten deutschen Markt. Uwe listet die drei Beteiligungen auf, die das englischsprachige Ausland – JunoMedical & Klara – und Schweden – Kry – im Fokus haben.)

20:50

Alex: Warum entscheidet sich denn so ein Medizin-Gründer-Team spezifisch für euch?

Uwe: Gute Frage. Geld ist es alleine nicht mehr. Aber viele von den Fähigkeiten, die wir früher im E-Commerce angewendet haben, sind übertragbar. Funktionale Technologiekompetenz: Wie baue ich eine skalierbare Plattform? Wie setze ich Prozesse auf, um agil zu bleiben? Und wie stelle ich Entwickler ein, wie setze ich mein Team zusammen? Datenverständnis ist eine Kernkompetenz bei uns, die Einführung einer datengetriebenen Arbeitsweise. Und nicht zuletzt das klassische Thema Marketing: Wie finde ich Verbreitung bei Konsumenten? Klar: Gesundheitsvorsorge ist nicht dasselbe wie Schuhe verkaufen, aber Ähnlichkeiten sind nicht zu übersehen.

Darüber hinaus haben uns schon erweitert. Wir haben einerseits ein neues, eher generisches Venture-Development-Team, die sich um Marktforschung, Internationalisierungsstrategien, oder Operatives und ähnliches kümmert. Andererseits haben wir nun eine dediziertes Sales-Team. Nicht Online-Marketing, wohlgemerkt, sondern Leute, die Verkaufsstrukturen aufbauen.

24:00

Alex: Und wie geht es weiter? Hast du etwas Neues kundzutun? Du bist als Spryker-Investor hier im vertrauten Kreis…

Uwe: Mein Steckenpferd ist es gerade, in den klassischen deutschen Mittelstand reinzuschauen. Spannend finde ich da nämlich die Diskrepanz zwischen seiner bewiesenen Innovationskraft auf der einen Seite und einer Art Behäbigkeit auf der anderen. Da muss man aus Berlin in eher obskure Landesstriche der Bundesrepublik gehen.

Alex: Wie beispielsweise?

Uwe: Meine schwäbische Heimat. Industrie 4.0 ist zwar das eine Thema, aber uns geht es auch um technologisch getriebene Unternehmen – auch unter dem Aspekt B2B, wo wir glauben, mit einer Mischung aus Kapital und operativer Unterstützung super Sachen machen zu können.

26:00

Alex: Führt die Entwicklung weg vom Modell Inkubator dazu, dass der Einstieg in den Karriereweg für Gründer schwerer wird? Mich erreichen immer wieder Anfragen von Leuten, die mit der Uni fertig sind, Ideen für E-Commerce-Apps – etwa im Bereich Retouren oder Warenverfügbarkeit – haben. Haben die noch Chancen? Oder müssen sie sich an bestehenden Start-ups andocken?

Uwe: Just heute Morgen hatte ich ein Gespräch mit Leuten, die reinkommen wollen, und denen habe ich gesagt, dass es noch nie einfacher war, irgendwo für sechs Monate in einen Start-up zu gehen und dort Erfahrung zu sammeln. Der Einstieg ist so gesehen sogar sehr leicht, weil es so viele coole Firmen gibt.

Ich habe aber eine steile Lernkurve hinter mir, angefangen mit meinen ersten, katastrophalen Erlebnissen als Gründer mit Rocket Internet im Jahr 2006. Das lag an meiner Leistung. Die war schlecht. So ist es für junge Gründer schlauer, erst einmal diese Lernkurve bei jemandem anders hinzulegen, bevor sie ihre eigene Firma gründen. Nur echte Ausnahmetalente kriegen so etwas direkt nach der Uni hin.

Alex: Also reicht es heutzutage eben nicht mehr, ein gutes Team und eine gute Idee zu haben, um an Geld zu kommen?

Uwe: Nein, so ist es nicht. Es ist eher so, dass für die Anfangsphase heute relativ viel Geld da. Es ist kein Problem mehr, an niedrige sechsstellige Beträge zu kommen. Salopp gesagt: Irgendein Zahnarzt findet sich immer für die Erstfinanzierung. Wenig Sachen, die echt gut sind, scheitern daran. Später wird das aber schwieriger. Der Anfang ist dabei so leicht wie noch nie.

28:50

Alex: Ihr seid positioniert euch also gar nicht als Partner für die Erstfinanzierung, sondern eher für das Stadium „nach dem Zahnarzt“? So seid ihr auf der Skala nach oben gerutscht und seid eher ein Skalierungs- als ein Gründungsinkubator.

Uwe: Zwar weisen wir den Begriff Inkubator von uns – das Stichwort ist: Operational Venture Capital –, aber grundsätzlich stimmt das schon. Wir fühlen uns da wohl, wo wir sind: Mit Firmen, die nicht alles bewiesen haben müssen, die aber mit der ersten Finanzierung schon ein paar Kernhypothesen abgeklopft haben solleb. Perfekt muss es keineswegs sein, aber wenn jemand sagen kann: „Guckt mal, ich habe schon die ersten 50 oder 100 Transaktionen. Wir müssen am Geschäftsmodell noch arbeiten, aber so sehen die ersten Zahlen aus“ – so ist das fein. Das Risiko gehen wir schon mit.

(Zum Thema Mittelstand fragt Alex, ob es wirklich so ist, dass die investitionswillige Firmen nach Hamburg und vor allem Berlin kommen müssen, weil hier die Talente sind, oder ob es auch abseits von Schwarmstädten Perspektiven für Start-ups gibt.

Uwe spricht über die selbstverstärkende Kraft eines digitalen Ökosystems. Das spüre man in Berlin. Ihn nervten die überflüssige Diskussion in Städten wie Stuttgart, ob und inwiefern man besser sei als Berlin oder es werden könne. Die Chance liege in der Besinnung auf das, was mittelständisch geprägte Regionen haben und Berlin nicht: Robotik-Experten, zum Beispiel.)

33:40

Alex: Angenommen, Project A ist aus allem erfolgreich ausgestiegen und du könntest wieder frei selber gründen (was du finanziell nicht müsstest, aber einfach aus purer Lust): Was für ein Thema findest du am spannendsten?

Uwe: Irgendetwas, was vielleicht gerade nicht „spannend“ ist, wo man sich durchaus zurückziehen und was Technologisches bauen müsste – was beispielsweise am deutschen Mittelstand andockt: Robotik, Produktion, Analyse… Da würde ich erstmal auf Mietwagen-Tour durch die Provinz gehen und gucken, wo man was machen könnte. Da scheint meine Tüftlernatur durch. Ich bin ja auch über die IT in diese Szene gekommen.

35:15

Alex: Was die weiterführende Finanzierung in Berlin deswegen so schwierig, weil es hier – im Vergleich etwa zu Silicon Valley – noch keine große Exits gegeben hatte? Fehlten deswegen die Gründer, die Geld haben, und die es wieder ins Ökosystem stecken könnten? Ich merke hier nämlich jetzt eine wachsende Anzahl von Fonds, die von ehemaligen Gründern aufgelegt worden sind, und die teilweise mit achtstelligen Beträgen unterwegs sind.

Uwe: Ja, das steckt jetzt mehr Geld drin als vor einem paar Jahren. Und jetzt nach Brexit schauen alle, ob es nicht noch eine Welle aus London gibt. Die Werte von Firmen schwanken sehr stark in der Abwechslung zwischen schwächelnder Weltwirtschaft einerseits und immer mehr Leuten andererseits, die ihr Geld in Berlin in Start-ups investieren wollen. Es gibt mittlerweile sogar Fonds, die neunstellig aus dem Stand starten. Und das merkt man – merken wir – schon. Schließlich gibt es jetzt Wettbewerb unter Investoren.

(Alex will wissen, wie sich dieser Wettbewerb auswirkt. Seine Erfahrung bei der Gründung von Spryker 2014 war eher so, dass sich die Investoren gar nicht so unterschieden. Nun wollten aber alle beteiligt sein – auch am Risiko. Uwe geht auf die Perspektiv des Investoren ein: Es sei den Erfolgschancen grundsätzlich dienlich, wenn es mehrere – zuverlässige – Beteiligte gebe. Die Szene sei zudem noch übersichtlich und so könnten Start-ups auch bei mehr Wettbewerb schlecht Investoren gegeneinander ausspielen.)

38:45

Alex: Gibt es eigentlich den „Lifestyle-Gründer“ Typ Business-School-Absolvent, der einen auf Jungentrepreneur macht, um später in den Vorstand von einem DAX-Konzern zu sitzen? Oder sind das eher etablierte Teams, die im dritten oder vierten Start-up-Versuch stecken?

Uwe: Der Trend geht zu vorheriger unternehmerischer Erfahrung. Bei uns ist mittlerweile schon so, dass wir uns den Luxus rausnehmen, uns Leute auszusuchen, die schon relativ viel Erfahrung haben. Das gibt in der Bewertung auch einen kleinen Extra-Bonus. Aber die „Lifestyle-Gründer“ sind da, klar: Start-ups sind gerade irgendwie sehr hip. Das wird vermutlich dann irgendwann abflauen. Aber man merkt relativ schnell, wer für eine Sache brennt und wer nicht…

(Alex erwähnt das Konzept des „Want-Repreneur“ von Gary Waynerchuck, das er zwar für zu pauschal hält, wo aber ein Körnchen Wahrheit drin stecke. Der Markt sei ja gerade am Boomen und vieles komme durch, was in härteren Zeiten nicht marktfähig wäre. Uwe stimmt zu. Es sei für Project A aber immer besser, einen größeren Teich zum Fischen zu haben – selbst wenn drin auch viel Schrott schwimmen würde.)

40:45

Alex: Kannst du übrigens ein bisschen was zu euren Zahlen verraten? Was investiert ihr so für Beträge? Welche Dienstwagenklasse steht hier im Keller…?

Uwe: Wir investieren sehr gerne ab 500.000 Euro, können bis zu 5 Millionen pro Runde machen – pro Firma in Summe bis zu 10 Millionen Euro. Somit sind wir in Deutschland einer der Beteiligten, der relevant große Schecks schreiben kann. Gestartet sind wir mit einem Fonds von 80 Millionen Euro gestartet. Die Größe des zweiten Fonds wurde vermutlich auch schon bekannt gegeben…

Alex: Von den fünf im Management sind noch drei der ersten Gründer. Wie viele Mitarbeiter laufen hier sonst so rum bei euch?

Uwe: Hundert Leute. Da schlackern andere VCs teilweise mit den Ohren, wenn sie zu Besuch sind. Alle behaupten von sich, „hands on“ zu arbeiten. Wir haben aber tatsächlich 100 operative Experten, die thematisch exzellent sind in ihren jeweiligen Bereichen. Das sind keine Berater von der Stange mit den Patentlösungen. Diese Leute zusammengebracht zu haben und sie nun für unsere Portfolio-Firmen einzusetzen: Das zeichnet uns aus.

(Alex erzählt, dass viele Konzerne auf der Suche nach Inkubatoren sind – so als „verlängerte Werkbank“, um auf der grünen Wiese weg vom Tagesgeschäft an neuen Ideen zu arbeiten. Er fragt, ob sich etwa ein Mittelständler mit einer Milliarde Euro so ein Project A bauen könnte?

Uwe verweist auf den mangelnden Erfolg-Track-Record: Corporate und Start-up sei grundsätzlich schwierig. Unternehmen, die Fonds auflegten, sollten sich fragen, was sie dann für eine Klientel anziehen – und wie sie auch die Allerbesten anziehe, ohne die es gar nicht gehe. Spin-outs auf Basis von Alleinstellungsmerkmalen – proprietären Patenten, zum Beispiel – seien denkbar. Aber wenn ein Konzern nichts einzigartiges bieten könne oder keinen anderen echten Mehrwert als Investor, ziehe es keine Vollblut-Unternehmer an. Diese seien ohnehin tendenziell unzufrieden mit Kapitalgebern und achteten sehr genau darauf, wen sie ins Boot holen.

Dazu komme, dass Konzerne auch kurzfristig Rendite erwirtschaften müssen: Solche Inkubator fielen dann oft später dem Rotstift zum Opfer. Daher sollten sich große Unternehmen eher einfach als klassischen Investoren beteiligen. Zalando kaufe Firmen auf, die sich der deutsche Mittelstand auch hätte sichern können.)

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