TransformationNachdem im Kassenzone Podcast die Otto Group bereits dutzendfach mal als gutes und mal als schlechtes Beispiel für unsere Online Thesen erhalten musste, hatte der designierte Otto CEO Alexander Birken heute die Gelegenheit seine Sicht der Dinge darzustellen. Ich habe versucht alle Fragestellungen aus den sehr populären Interviews mit Florian Heinemann („Digitalisierung zum Festpreis“) aufzuarbeiten. Zusammengefasst: Ganz so einfach ist die Sache mit der Transformation nicht und zurecht muss sich auch Alexander Birken fragen: Was ist eigentlich die Alternative?

Mein Sicht lässt sich leicht zusammenfassen: Ich glaube, dass klassische Transformationskonzepte, die „alte“ Unternehmen auf den Stand von reinen digitalen Unternehmen bringen sollen, nicht funktionieren können. Das hat mehrere Gründe, aber der wesentlichste für mich ist, dass so ein Prozess zu schwer managebar ist und deshalb wertvolle Zeit und Geld kostet, die man an anderer Stelle viel sinnvoller anlegen könnte. Transformation als Dauerauftrag ist für mich vollkommen ok, weil auch Facebook, Zalando & Co. sich nicht ausruhen können und sich permanent verändern müssen. Ergo: ein schwaches Geschäftsmodell lässt sich nicht digital transformieren, aber ein starkes Geschäftsmodell, ob digital oder nicht, muss sich ohnehin permanent verändern. Sehr spannend von Alexander Birken sind auch die Aussagen zum Nutzen eines CIO bzw. CDO im Transformationsprozess. Viel Spass!

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Transkript: Alle, die einen schnellen Überblick über die Thesen im Interview suchen, finden hier die wichtigsten Stellen zusammengefasst als Auszug. Fürs Nachhören im Detail ist jeweils die Zeitangabe vermerkt.

Im Interview von Alexander Graf mit dem Urgestein im E-Commerce und designierten CEO der Otto Group Alexander Birken dreht sich alles um das Thema „Digitale Transformation“. Bringt das überhaupt was? Lässt sich damit Geld verdienen? Und wie sieht es eigentlich tatsächlich in der Praxis aus? Die Otto Group findet immer wieder Einzug in Kassenzone-Themen – diesmal direkt aus der Vorstandsperspektive.

Kassenzone: Was treibt euch eigentlich dazu, das Unternehmen zu transformieren? Vor allem von wo nach wo und warum? (4:30 min)

Alexander Birken: Das gesamte Thema der digitalen Transformation wird oft mit den Kondratjeff-Zyklen verglichen. Ich glaube allerdings, dass die Veränderung noch viel stärker ist. Wir erleben hier eher eine zweite Renaissance. Ähnlich jener durch die Buchdruckerei, wo auf einmal Wissen demokratisiert wurde, verfügbar gemacht wurde. Das ist tatsächlich eher die Parallele zu dem, was wir heute im Rahmen der Digitalisierung erleben. Es ist eine wesentlich stärkere Entwicklung als in den letzten Jahrzehnten. Sie verändert alle Geschäftsmodelle und alle Industrien komplett – und alle sehr unterschiedlich. Davon bin ich zutiefst überzeugt.

Kassenzone: Ist der Grund für die Transformation bei euch, dass sich eure Geschäftsmodelle verändern und ihr die Menschen mitnehmen müsst, um die alten Modelle zu transformieren? Schaut ihr euch Transformation im Sinne von „unsere Organisation“ oder „unser Geschäftsmodell“ an? (5:28 min)

Alexander Birken: Anders herum. Eher von außen schauend. Wir fragen uns, was macht Digitalität mit uns, was macht es mit unseren Kunden? Wie verändert sich das Kundenverhalten? Was bedeutet Digitalität für uns intern? Was passiert in der Wettbewerbssituation? Wir leben aktuell in einer langjährigen Niedrigzinsphase, in der Liquidität keine Rolle mehr spielt. Man bekommt Geld im Markt. Wir sehen auch, dass Technologie in einem ganz anderen Maße verfügbar ist. Das verändert alle Industrien, auch den Handel. Im Handel erleben wir diese Veränderung bereits seit zwei Jahrzehnten. Und diese Veränderung wird sich fortsetzen. Damit muss man sich als Unternehmen auseinandersetzen, überlegen, was das fürs Unternehmen bedeutet, sowohl technologisch und kulturell als auch für die Geschäftsmodelle. Wo muss ich Geschäftsmodelle adaptieren, wo vielleicht komplett auf den Kopf stellen? Das sind die Fragestellungen, mit denen wir uns auseinandersetzen.

Kassenzone: Inwiefern setzt ihr euch heute mit den Fragestellungen anders auseinander als bisher? Geht ihr anders ran? Offener? Risikoaffiner? Hinterfragt ihr bestehende Geschäftsmodelle anders? Und was ändert sich dadurch operativ? (6:32 min)

Alexander Birken: Operativ ist es eine andere Betrachtungsweise. Der Grad der Veränderungen und die daraus resultierenden Verwerfungen sind einfach viel größer. Bei Otto ging es lange Zeit darum, wie wir es schaffen können, aus dem Katalogzeitalter überhaupt ins Onlinegeschäft hineinzukommen. Wir haben darauf geachtet, dass wir die Mitarbeiter und die Kunden mitnehmen, in der richtigen Geschwindigkeit, damit wir nicht wie andere Unternehmen Umsatzeinbrüche haben. Wir generieren 90 Prozent unseres Umsatzes online. Der Katalog ist immer noch da, aber mittlerweile eher ein Marketing-Tool. Kunden unterscheiden nicht zwischen Online und Retail. Wir sehen im Augenblick, dass zum Beispiel myToys als Pure-Player zwei Stationärgeschäfte aufmacht, andere Online-Pure-Player arbeiten mit Leaflets/Katalogen, eben nur in anderer Form. Diese Entwicklung geht weiter. Bei Anrufen sagen mir DAX-Vorstände, dass wir die Transformation gemeistert hätten. Das haben wir mitnichten. Die Transformation geht weiter. Diese gesamte Datengetriebenheit, die IT überhaupt dazu zu nutzen, Prozesse mit Algorithmen zu verbessern, da stehen wir noch ganz am Anfang. Die Digitalität wird sich durch die gesamten Wertschöpfungselemente der Firma durchziehen. Mit Otto befinden wir uns da mitten in der Anfangsphase.

Kassenzone: Im Zusammenhang mit Transformation taucht ja auch immer wieder der Begriff Kulturwandel auf. Hier fällt mir das Duzen bei der Otto Group ein. Kannst du ein Recap zur Einführung vom „Du“ geben? Was hat es bisher verändert? Inwiefern ist es messbar? (11:15 min)

Alexander Birken: Wir haben bei einem Workshop des Vorstands diskutiert, wie wir am besten bei uns mit dem Thema Kulturwandel anfangen, denn, so sagt man in Hamburg, der Fisch stinkt vom Kopf zuerst. Wir müssen mit dem Thema bei uns beginnen, sonst ist es unglaubwürdig. Wir kamen dann zur Frage, wie man einfacher zum „wir“ kommt. Mit „Sie“ oder mit „Du“? Mit „Du“ natürlich. Wir haben das dann direkt beschlossen und im Kulturblog gepostet. Es war nicht konzipiert, nicht abgestimmt. Wenn man Kulturwandel jedoch auf das „Du“ reduzieren würde, wäre das nur ein Feigenblatt. Damit hat man den Kulturwandel nicht im Griff. Dazu gehören noch ganz andere Elemente. Wir wollen Distanz abbauen, Vertrauen aufbauen. Das passiert. Mit dem „Du“ ist die Distanz weg, man ist direkter am Thema, schneller an der Sache.

Kassenzone: Kann das „Du“ bzw. Transformation helfen, Entscheidungswege zu verkürzen? Kontrolle abzugeben? Risikoaffiner zu sein? (15:15 min)

Alexander Birken: Das „Du“ allein nicht. Das kann zwar bei den „jungen Wilden“ helfen, aber die Geschwindigkeitszunahme hat mit dem Rollenverständnis der Führungskräfte zu tun. Das definieren wir gerade neu. Das ist ein dickes Brett, das gebohrt werden muss. Die Führungskraft muss lernen, Verantwortung und Kontrolle zu delegieren; sie muss Leuchtfeuer entfachen und Rahmen setzen, in denen die Kollegen frei agieren können. Wenn man das so umsetzt, dann lässt sich die Geschwindigkeit steigern. Ja, wir fangen an, das zu erleben. Es kommen Impulse, Ideen, die wesentlich schneller sind. Und die Führungskräfte müssen allgemein mutiger werden, d. h. auch mal mit einer Idee, die erst zu 80 Prozent fertig ist, loslegen.

Kassenzone: Muss man die einzelnen Unternehmen bei Otto eigentlich unabhängig voneinander betrachten, situativ entscheiden? Denn: Transformation ist ja nichts Schönes. Die Mitarbeiter müssen schneller arbeiten, risikoaffiner sein. Neun von zehn Leuten sind dafür nicht gemacht. Lässt sich das Risiko in der Transformation mitigieren oder lässt man es auf sich zukommen? (19:43 min)

Alexander Birken: Es liegt in der Natur des Menschen. Der Mensch mag Balance, Sicherheit. Das gehört zu unseren Grundbedürfnissen. Aber es gibt genug Menschen, die Herausforderungen lieben, neue Wege gehen. In Unternehmen, die eine bestimmte Größe haben, bildet sich eine Mittelstufe mit Führungskräften, die Stabilität und den Status Quo beibehalten wollen. Das ist völlig normal und ganz unabhängig von Ländern und Branchen. Es ist eher größenabhängig. Daher ist es wichtig, das Thema im Einzelfall anzuschauen. Bei Otto und Crate and Barrel ist es zum Beispiel eine völlig andere Situation. Ein Kulturwandel funktioniert nicht à la „One size fits all“. Wir haben die Dimensionen des Kulturwandels definiert. Wie ausgeprägt diese jedoch in den einzelnen Unternehmen sind, muss in den jeweiligen Unternehmen definiert werden. Es ist ein sehr anspruchsvolles Thema, denn wir müssen Menschen aus ihrer Komfortzone holen, Verhaltensmuster stören und teilweise auch zerstören. Eine große Organisation mit mehreren Milliarden Umsatz zu transformieren und ins Digitalzeitalter zu bringen ist keine leichte Aufgabe. Bei der Programmierung von Lhotse zum Beispiel gab es eine echte Begeisterungswelle im Haus, aber durch Algorithmen können schlichtweg auch Arbeitsplätze wegfallen. Das ist kein Spaß.

Kassenzone: Habt ihr gute Erfahrungen mit CDOs, CIOs o. ä. gemacht? Lässt sich ein Unternehmen mit einer solchen Person tatsächlich besser, schneller transformieren? (37:50 min)

Alexander Birken: Wir haben die Rolle tatsächlich in vielen Geschäftsführungen ergänzt. Viele Geschäftsführer haben nicht diesen tiefen technologischen Hintergrund, weil die Unternehmen in der Vergangenheit eben Handelsunternehmen waren. Mittlerweile arbeiten bei Otto 1.000 von 4.400 Menschen im E-Commerce, in der IT usw. Otto als Einzelgesellschaft wird mehr und mehr zum Technologieunternehmen. Der CDO soll dafür sorgen, dass das technologische Know-how und Verstehen auf der obersten Geschäftsführungsebene vorhanden ist und das vertreten kann. Um die Vernetzungsmöglichkeiten innerhalb der Otto Group zu nutzen und den angestrebten Kollaborationsansatz umzusetzen, brauchen wir Menschen, die die technologischen Chancen in der Tiefe verstehen. Aus diesem Grund haben wir diese Positionen gerne. Ich kenne auch die Argumente dagegen, aber hier und heute ist es die richtige Lösung, um die Umsetzungsgeschwindigkeit zu erhöhen, um mit der digitalen Transformation voranzukommen.

Kassenzone: Was wäre deine Empfehlung für den DAX-Vorstand, der dich fragt, ob er wirklich zwei Prozent seines Umsatzes in digital investieren soll? (42:34 min)

Alexander Birken: Wie viel Prozent, das kann ich für andere Industrien nicht beurteilen. Die Mechanismen aber, die dahinterstehen, sind die gleichen. Die Frage ist zum Beispiel, wie bin ich technologisch geprägt. Wenn man digitale Transformation kulturseitig betrachtet, dann haben wir an vielen Stellen das Problem, dass wir ein ausgeprägtes Siloverständnis haben. Silos mit ausgeprägten Hierarchien. Ich glaube, dass das die Bottlenecks sind, die die Geschwindigkeit aus einem System rausnehmen. Man muss sich sehr spezifisch anschauen, ob es an der Organisationsform liegt, an den Prozessen. Man muss sich die Wettbewerbsarena anschauen, mit der Kultur und Technologie auseinandersetzen. Die Transformation wird nie durch sein. Die Transformation ist kein endlicher Prozess.

 

Die Diskussion zur Transformation wird auf unserem Digital Commerce Day im März fortgesetzt, u.a. mit dem Otto Bereichsvorstand Marc Opelt. Dafür sind nur noch 200 Tickets verfügbar, ihr müsst euch also ranhalten mit der Buchung. Wer das Thema noch in diesem Jahr vertiefen möchte, dem kann ich nur den neugeschaffenen NKF Summit in Berlin (7. Dezember) empfehlen. Das Programm liest sich excellent und die Panels sind hervorragend besetzt. Ziel der Veranstaltung ist es herauszufinden wie Corporates digitale Transformation meistern können. Preislich mit ca. 1.000€ kein Schnäppchen, aber dafür sehr exklusiv und informell.

Startups sind führend bei Innovation, Disruption und Agilität.  Der NKF Summit Vol.1 widmet sich der Frage, wie etablierte Unternehmen und disruptive Startups bestmöglich zusammenarbeiten können. Anhand unterschiedlicher Fallstudien werden die einzelnen Modelle wie Accelerator, Corporate Venture, Akquisition und Joint Venture erläutert. Ziel der Konferenz ist es, Corporates zu helfen, ihre Zukunftsfähigkeit in der digitalen Transformation und im internationalen Wettbewerb dauerhaft zu sichern.

Die im Podcast besprochene Auswertung zur Umfrage unter den Podcast Hörern findet ihr hier: www.kassenzone.de/anzeigen-schalten/

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