calaveras makeupDie Quartalszahlen von Amazon waren wie gewohnt beeindruckend. Die Prognosen von Adrian Hotz zum weiteren Wachstum von Amazon sind erdrückend und so langsam kommen sogar „alte“ Kassenzone Theoreme an ihre Grenzen. Die vereinfachte Gleichung Google = Suchen, Amazon = Kaufen wird Wirklichkeit, mit allen Nebenwirkungen die sich betroffene Händler und Hersteller vorgestellt haben. Christian Rothe hat in den Kommentaren zum letzten Beitrag „Der Fall von Sony“ zurecht gefragt, worauf meine Aussage basiert, dass Amazon über 50% des E-Commerce Marktes direkt bzw. indirekt beeinflusst. Diese Aussage basiert zum Teil auf Erfahrungen mit diversen Händlern und Herstellern, diversen Studien zur Umsatzentwicklung in Deutschland und einigen „Macht das Sinn?“-Diskussionen mit den betroffenen Unternehmen. Ich versuche das gerne hier zu quantifizieren und freue mich über viele Anmerkungen in den Kommentaren. Vielleicht kommen wir gemeinsam auf bessere Werte – die Crowd und so… Die erste Zahlenkolonne kommt von Amazon direkt, die seit drei Jahren auch Werte für den deutschen Markt separat ausweisen. Zu den Umsatzwerten 2013 hatte sich zwischen dem BVEH und Axel Gronen ein spannender Disput entwickelt, um festzustellen, ob Amazon in Deutschland in Summe (Marketplace + Direktverkauf) bei eher 10 Mrd. Euro oder 20 Mrd. Euro liegt. Axel hatte sich der 10 Mrd. Marke Bottom Up genähert, während der BVEH versucht hat, die Befragungsergebnisse von vielen tausend Kunden zu verifizieren. Mit 20 Mrd. in 2013 wäre die 50% Anteilsmarke am E-Commerce von Amazon schon erreicht worden.

Ansatz #1 – Umsätze hochrechnen

Mittlerweile liegen Werte bis 2015 vor und ich habe mal versucht die Rechnung nachzuvollziehen und so auf einen sinnvollen Umsatzkorridor zu kommen. Ein wenig stutzen musste ich allerdings beim Studium der 9-Monatszahlen aus 2015, weil diese für die internationalen Märkte (inkl. Deutschland) kaum Wachstum ausweisen (siehe Screenshot). Ich konnte bisher nicht verifizieren woran das liegt. Es kann durchaus ein Wechselkursproblem sein, weil der Euro-Dollar Kurs fast 20% eingebrochen ist.

Amazon-International

Wenn man nun die Amazon Netto Zahlen für den deutschen Markt anschaut, wird darauf hingewiesen, dass in diesen Zahlen lediglich die Provisionen der Marketplace Händler (Third Party Sales) enthalten sind, aber nicht deren Gesamtumsätze. Das führt zu dazu, dass wir uns erst einmal herleiten müssen, wie hoch wohl die durchschnittliche Provision ist, die Amazon je nach Kategorie und Menge variiert und wie hoch wohl der Anteil der Marketplace Umsätze ist. Bei den Provisionen fühle ich mich durch viele Gespräche mit Händlern mit 15% wohl, einen Wert den auch Axel angenommen hat. Bei den Marketplace Anteilen sind die mir bekannten Werte viel schwankender. Irgendwo zwischen 30% und 60% Marketplace Anteil dürften es mittlerweile sein, auch weil eBay sich nach und nach aus dem Markt verabschiedet und zunehmend an Bedeutung verliert. Das muss ich mir aber noch mal im Detail anschauen und mit Mark Steier diskutieren. Eine weitere Variable ist der finale Umsatz 2015, bei dem ich in der Rechnung von 10% bzw. 20% ausgehe, weil der o.g. Screenshot währungsbereinigt sein dürfte. Die Excel Tabelle kann man hier runterladen und damit rumspielen. In dieser Rechnung komme ich bei Amazon Deutschland auf ein Gross Merchandise Volume (Gesamtumsatz!) von 15,28 Mrd. bis 30 Mrd. in 2015, je nachdem wie man Provisions- und Marketplace-Anteil schätzt. Mein Best Guess in dieser Herleitungsart wären für 2015 19,7 Mrd. (20% Wachstum, 15% Provision, 40% Marketplace). Mit dieser Größe rechne ich erst einmal weiter, um einen Bezug zum Gesamtmarkt herzustellen. Man könnte natürlich noch die AWS Umsätze (IT Services, Videostreaming…) aus dem Umsatz rausrechnen, aber das ändert nicht viel an der grundsätzlichen Dimension.

Amazon-Umsatz

Ansatz #2 Quervergleich Paketsendungen

Der beste Ansatz der mir eingefallen ist, um den Umsatz von Amazon zumindest im Verhältnis zum Gesamtmarkt zu verifizieren sind die gelieferten Paketmengen. Auch in diesem Bereich variieren die Angaben zum Teil erheblich. Die Wiwo kalkuliert, dass 400 Mio. Pakete von insgesamt 2,8 Mrd. versendeten von Amazon stammen.

Für die Zusteller in Deutschland bahnt sich damit ein Wendepunkt an. Etwa 2,8 Milliarden Pakete werden in Deutschland jedes Jahr verschickt. Den Großteil davon liefern der Marktführer Deutsche Post, Hermes und der Paketdienst DPD direkt bis zur Haustür der Privatkunden. Geschätzt bis zu 400 Millionen der insgesamt 2,8 Milliarden Pakete dürften von Amazon stammen.

Andere Quellen gehen von bis zu 700 Mio. Paketen bei einer Gesamtmenge von 3 Mrd.  aus. Laut Statista verteilen sich diese Pakete zu ca. 7% auf C2C, 52% auf B2C und 41% auf B2B in 2013, wobei der B2C Anteil wächst. Gehen wir mal der Einfachheit halber davon aus, dass die B2C Quote in 2015 bei 60% liegt und die Gesamtmenge in diesem Jahr bei 3 Mrd. liegt. Das wären 0,6 * 3 Mrd = 1,8 Mrd. B2C Pakete inkl. Katalogversender usw. Je nach Quelle wäre dann der Amazon Anteil bei 22% (400m Pakete bis 38% 700m Pakete). Bereinigt um Katalogversender und Shopping TV dürfte der reine E-Commerce Umsatzanteil in Deutschland dann schon die 50% Marke überschreiten. Dass bei diesen Mengen ein eigener Endkundenlogistiker Sinn macht, dürfte klar sein. Retouren sind mE in den 3 Mrd. Paketen nicht enthalten, aber da lasse ich mir gerne eine anderweitige Erklärung geben. Das würde die Rechnung zu den Anteiligkeiten aber nicht verändern.

Ansatz #3 Anteile am Gesamtumsatz Deutschland

Das Thema E-Commerce Gesamtumsätze in Deutschland ist emotional etwas belastet – leider. Grundsätzlich empfehle ich sehr, dass man jede Statistik zu diesem Thema sehr vorsichtig lesen muss und Herausgeberinteressen und Datengrundlage verstehen muss. Ich habe vor zwei Jahren mal die gängigen Studien und Daten in einem kleine Modell zusammengeführt und das funktionier heute für mich noch erstaunlich gut. Die Herleitung und Datenbasis (Exceltabelle) findet ihr in dem entsprechenden Artikel „Wann platzt die Immobilienblase“.

Marktmodell-2015

Die Daten in diesem Modell laufen auf einen E-Commerce Umsatz in 2020 von ca. 100 Mrd. Euro hinaus. Einen Wert den ich mittlerweile für eher konservativ halte. In 2015 landet man darin bei ca. 50 Mrd. Euro. Wenn man dem Modell folgt, muss man akzeptieren, dass der stationäre Handel unter der Annahme eines Null Wachstums des Einzelhandels in einem Zeitraum von 10 Jahren (2010-2020) ca. 25% Umsatz verliert. Der Gewinneinbruch dürfte noch größer sein, weil sich die Preiserwartung der Kunden aus dem E-Commerce in den stationären Handel überträgt. „Jetzt zu Internetpreisen im stationären Handel kaufen.“ Aus meiner Sicht ist das eine Bankrott Erklärung des stationären Handels, aber das muss jeder Händler selber entscheiden. Es gibt deutlich defensivere Statistiken, wie z.B. die Prognose vom HDE, die bei 42 Mrd. für 2015 landet. Der BEVH kommt eher auf 50 Mrd. in 2015. Alle Studien unterstützen aber die These, dass E-Commerce stark wächst.

Macht die Aussage „Amazon gehören schon heute über 50% des Online Handels“ noch Sinn? Das kommt darauf an, welchen Zahlen man glauben will. In absoluten (Online-) Umsatzanteilen dürfte das knapp der Fall sein. Wenn man die Effekte von Amazon in Summe betrachtet und sich überlegt wie stark Amazon Bewertungen mittlerweile auch die Einkäufe im stationären Handel beeinflussen, dann würde ich sogar noch etwas weiter gehen in der Aussage, dass Amazon mittlerweile auch große Teile des stationären Handels beeinflusst. Wenn ich dann noch die halbgaren „Multichannel“ Ideen von Kaufhof & Co. betrachte, dann kommen mir fast die Tränen. Noch gar nicht berücksichtigt sind die diversen Effekte aus neuen Logistikdienstleistungen, besseren Retourenprozessen usw. die E-Commerce noch mal massiv beschleunigen werden. Fairerweise hat sich in diesem Bereich in den letzten 20 Jahren kaum etwas Sichtbares für Endkunden getan, abgesehen vom 24-48h Lieferstandard.

Konsequenzen

Amazon als Händler oder Marktplatz zu betrachten greift mittlerweile zu kurz. Aus diesem Grund widme ich mich nun seit fast zwei Jahren in diversen Artikeln den verschiedenen Amazon Strategien und finde insbesondere das Beispiel von Kavaj weiterhin sehr relevant. Bis vor wenigen Jahren war ich ein großer Fürsprecher von Wachstumsstrategien, die davon ausgingen eine direkte Kundenbeziehung aufzubauen und auszubauen. In der GAFAzon Welt wird diese Strategie extrem wackelig. Gut, eine Webseite und ggf. einen Shop als Hersteller zu betreiben, mag Sinn machen. Aber warum sollte man noch weiterhin teuer Kunden bei Google akquirieren, die ohnehin nicht treu sind, wenn am Ende des Tages schon 50% direkt bei Amazon einkaufen?

Amazon-Whitepaper-CoverAus diesem Grund haben wir uns vor kurzer Zeit auch bei Factor-A beteiligt, das sich als Dienstleister positioniert, um Hersteller bei Amazon erfolgreich zu machen. Auch wenn es keine langfristige Strategie sein kann, sich komplett von Amazon abhängig zu machen, welche Alternativen haben Hersteller mit signifikanten Online-Anteilen denn schon, als Amazon nicht massiv im eigenen Sinne zu nutzen. Amazon gewinnt (zurzeit). Wie man dieses Know-how nutzen kann, hat Factor-A in dem 50 seitigen Paper „Knut und die Amazonen“ zusammengestellt.

 

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