Fabrik2012 war das Jahr der Inkubatorengründungen in Deutschland. Wochenweise haben sich neue Teams gefunden, um analog zu Rocket Internet eine “Startupfabrik” zu gründen. Die Voraussetzungen dafür schienen einfach: Ein Team mit Online-Know-How (meistens Marketing), ein großes Netzwerk, etwas Geld, Zeit und ein paar Ideen. Die meisten der “damals” gestarteten Inkubatoren sind heute nicht mehr aktiv, bzw. haben ihr Geschäftsmodell verändert. Insbesondere die kleineren Inkubatoren sind recht schnell am Aufbau skalierbarer Strukturen gescheitert und mussten einsehen, dass die Flopquote bei Neugründungen doch deutlich höher ist als die oft kolportierten 90%. Um einen Inkubator zu betreiben, braucht es extrem gute Mitarbeiter, viel Geld, ausreichend Zeit und dann noch eine Portion Glück. Man muss in der Lage sein über die zentral zur Verfügung gestellten Funktionen (z.B. Finanzen & Onlinemarketing) die Gründungen am freien Markt zu überholen. Das ist alles andere als einfach, weil man in Inkubatoren wenig Möglichkeiten hat eine ähnliche Dynamik zu erzeugen wie in eigenständigen Gründerteams. Ja, auch Inkubatoren haben ein gewisses Maß an Legacy. In Deutschland zählen Rocket Internet und mittlerweile Project A Ventures zu den erfolgreichen Beispielen – wahrscheinlich auch deshalb, weil sie genug gute Mitarbeiter und Geld haben. Dazu gibt es noch einige mehr oder minder aktive Corporate Inkubatoren, die das Ziel haben das Thema neue Geschäftsmodelle & Innovationen sinnvoll im Konzernumfeld zu verankern. Vorbildlich gelöst hat das die Otto Gruppe, wie ich vor ca. einem Jahr beschrieben habe.

Nun gibt es einen neuen Inkubatorentrend. Die großen Strategieberatungen wollen das Wachstumsfeld “Digital” für sich claimen und haben eigene Inkubatoren gegründet, die als eine Art Dienstleister für die großen Unternehmen neue Startups gründen soll. BCG hat die Einheit Digital Ventures gegründet, die noch sehr verkopft daher kommt und beim entsprechenden Gründerszene Artikel für kontroverse Kommentare gesorgt hat.

BCG DIGITAL VENTURES BUILDS AND TRANSFORMS BUSINESSES.We re-imagine how people experience products and services, to disrupt and make markets, and create new sources of competitive advantage.

Deloitte hat sich mit der Deloitte Digital GmbH ein ähnliches Konzept aufgebaut und versucht damit nun die operativen Ressourcen im Unternehmensverbund auf Gründungsprojekte zu verteilen. Geführt wird diese Einheit von Andreas Harting, der in der Berliner Szene diverse Projekte mit den Heilemann Brüdern machen konnte. Last but not least gab es diese Woche auch die große Ankündigung von Roland Berger, die eine echte “Startupfabrik” zusammen mit Rocket Internet aufbauen wollen. Wie das genau aussehen soll ist noch offen, aber im Zweifel erhält Rocket Internet so einen besseren Zugang zu gründungswilligen Beratern. Dieser neue Trend wirft einige Fragen und noch mehr Zweifel auf. Ich erspare den Lesern die gehässigen Kommentare aus der Szene und versuche einmal herzuleiten, warum diese Art der Dienstleistung einen schwierigen Stand haben wird.

Die wichtigste Frage vorab: Warum machen Strategieberatungen so etwas?

Strategieberatungen haben jahrzehntelang ein sehr erfolgreiches Geschäftsmodell betrieben, indem sie risikofrei und methodenorientiert Unternehmen beraten haben. Das Beratungs-Know-How war meist nach Sektoren verteilt und erfahrende Berater mit einer Historie dutzender Projekte aus einer bestimmten Industrie haben diese Erfahrung beim Kunden jeweils vergolden können und gleichzeitig noch Juniorberater schulen können, die vom jeweiligen Kunden natürlich auch bezahlt wurden. Der Aufbau eines risikobehafteten Dienstleistungsgeschäft mit deutlich weniger Marge aufgrund der schlechter zu verrechnenden operativen Mitarbeiter ist aus Sicht des Standardberatungsmodells ein krasser Rückschritt. “Strategisch” gesehen totaler Mist. Bei digitalen Projekten funktioniert seit einigen Jahren die Methodenberatung nicht mehr. Diverse “best of breed” Präsentationen sind bei den Kunden verpufft. Das fehlende operative Know How bei den Beratern hat zu katastrophalen Empfehlungen geführt und die Multichannelblase aufgepumt. Um es kurz zu fassen: Wenn es um digitale Themen geht zählt einzig und alleine operative Erfahrung und unternehmerische Expertise. Digital/E-Commerce usw. lässt sich nicht in Methoden fassen und strukturiert beraten. Dafür verändert sich die Welt zu schnell. Was gestern im Bereich SEA/SEO noch richtig und angesagt war, ist heute ein Totalausfall. Wir haben das bei eTribes selber gemerkt. Wir hatten 2012 auch den Plan eine “Strategieberatung” für digitale Themen aufzubauen, aber das Modell funktioniert in dem Markt nicht. Die Kunden wollen mich, Nils oder Tarek zu operativen Erfahrungen befragen. “Mal kurz eine Due Dilligence machen, 1-2 Tage bitte.” Dieser Markt ist mit den Kostenstrukturen klassischer Beratungen, die per Definition pro Projekt mind. 30-50k Umsatz (besser 100k-500k) machen müssen, nicht beherschbar. Vor allem fehlt das Know-How. Da liegt es auf der Hand sich dieses operative Know How in Form von Inkubatoren (operativ tätigen Mitarbeitern) aufzubauen und als Komplettpaket an die Kunden zu vermarkten. Anders ist die Erschließung des Digitalmarktes für Strategieberatungen scheinbar nicht möglich.


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Warum fragen “Konzerne” so eine Dienstleistung nach?

Die großen Unternehmen ohne eigene Gründungsambitionen- und kompetenzen werden nach und nach mit den Realitäten eines sich immer schneller verändernden Marktes konfrontiert. Nichts mehr ist vor Google, Amazon & Co. sicher. Neue Monopole entstehen und fegen so langsam alle bekannten Strukturen weg. Sogar einst sicher geglaubte Bastionen wie Pharma & B2B fangen an zu zittern.

Yet some still worry that Google could prove to be the ultimate digital monopoly. They do not think that its reason for being is primarily online search or the advertising business; they see it as being in the business of mining any and all data it can accumulate for new profit streams. The data hunger such a goal demands is the main reason, they argue, why Google is entering markets as diverse as self-driving cars, smart homes, robotics and health care. “Google is trying to leverage the advantage it has in one area into many others,” says Nathan Newman, a lawyer and technology activist. The idea is that Google could use its assets—its data, its unparalleled ability to exploit those data, its brilliant employees and knack for managing them—to take control of other industries.

Ehe Unternehmen nun anfangen mühsam Strukturen á la Otto Group oder Axel Springer aufzubauen, dürfte das Angebot extern eingekaufter Inkubation durchaus auf großes Interesse stoßen. Die o.g. Beratungsunternehmen sind ja auch nicht doof. Die werden ihre bestehenden Kunden schon gefragt haben ob sie Lust auf diese Art von Dienstleistung haben. Unternehmen versprechen sich damit auf zwei Probleme Antworten zu finden. A) Zugang zu neuen Geschäftsmodellen und Erlösquellen. B) Start des Change Prozesses im Kernunternehmen, um auf die neuen Herausforderungen gewappnet zu sein. Problem B) kann man aus meiner Sicht nur mit herausragenden Leuten im Management lösen, die es heute aber kaum gibt und die man nicht ohne weiteres identifizieren kann. Dazu zitiere ich an dieser Stelle einen Textausschnitt von Florian Heinemann für ein Buchprojekt von mir für das nächste Jahr:

Die neue Differenzierung passiert heute also über Inhouse-Architekten, die in der Lage sind, alle relevanten Technologien und das ganze Wissen, das ein Unternehmen angesammelt hat, sinnvoll zu orchestrieren. Diese Architektur-Experten zu finden ist für viele Unternehmen heute eine der größten Herausforderungen. Vor allem auch deshalb, weil man die Kandidaten nicht anhand einer Erfahrungs-Checkliste auswählen kann, sondern man Experten einstellt, weil man in ihnen das Potential sieht, ein solcher Architektur-Experte zu werden. Und das fällt Unternehmen naturgemäß schwer.

Amen.

Angebot trifft Nachfrage. Was ist das Problem?

Die Akquise der ersten Aufträge mit auskömmlichen Margen halte ich für die neuen Inkubatoren für recht unproblematisch. Das solche Projekte nicht unter siebenstelligen Beträgen als Komplettpaket zu haben sind, dürfte nach Betrachtung der geforderten Tagessätze und eingesetzten Anzahl von Mitarbeitern schnell klar werden. Die angebotenen Joint Venture Strukturen (Risikoteilung…) dürften da keinen Unterschied machen. Das Problem aus meiner Sicht ist, dass den Strukturen fast alle Elemente fehlen die neue Unternehmen heute brauchen, um erfolgreich zu sein. Die Voraussetzungen habe ich kürzlich in meinem Beitrag “Warum Konzerninkubatoren scheitern” beschrieben:

Er [Y-Combinator CEO] beschreibt die Erfolgschancen eines Startups mit der folgenden Formel: Qualität der Idee x Umsetzungsqualität im Produkt x Qualität des Teams x Leistungsfähigkeit bei der Exekution ergeben die Basischance eines Startups. Dieser Wert wird dann mit einem Zufallswerts zwischen 0 und 100 multipliziert, der leider nicht beeinflussbar ist und aufzeigt, dass auch die besten Teams und gute Ideen manchmal scheitern.

Die Qualität der Ideen wird in konsensgetriebenen Strukturen meist schwach sein, die Umsetzungsqualität in eilig zusammengestellten Teams unterirdisch, „echte“ Gründungsteams sind in den Beratungsinkubatoren gar nicht vorgesehen und über die Exekutionfähigkeiten von Strategieberatern müssen wir hier nicht reden. Das komplette Setup führt dazu, dass die Erfolgsquote gleich Null sein wird. Alles, aber auch wirklich alles was erfolgreiche Unternehmen ausmacht und was ich in den letzten acht Jahren im E-Commerce gelernt habe wird hier über den Haufen geworfen. Ich bin der festen Überzeugung, dass man auch in Industrien, die aktuell nur ein “bisschen” vom Internet betroffen sind von Anfang an nur mit den besten Voraussetzungen starten darf. Alles andere ist rausgeworfenes Geld. Ich gönne es den Teams von BCG, Deloitte & Co. wirklich. Sie sollen erfolgreich sein. Das wäre toll für die Gründerszene. Sie sollen Konzerne verändern. Das wäre toll für unsere Wirtschaft. Ich kann bei aller Liebe aber nicht daran glauben, weil das Angebot in Wahrheit eine Notlösung für das darbende Beratungsgeschäft ist und die Nachfrage ein Platzhalter für fehlende Onlinestrategien ist. Ich bin daher eher inhaltlich eher bei einem Kommentator von Gründerszene:

Ok, also consultants, von denen wahrscheinlich kein einziger jemals eine Firma aufgebaut hat, wollen Startups machen? Das ist wie wenn jemand sagt, dass er eine Schule für neue Tour de France Talente aufmachen will, obwohl er nicht einmal Fahrrad fahren kann. Nachdem genau 0 große startups oder exits aus dem Accelerator-Hype der letzten Jahre in Deutschland herausgekommen sind und nicht einmal accelerators wie Techstars es schaffen neue Startups zum Erfolg zu bringen, würde ich mir das genau überlegen wie das funktionieren soll, besonders da Consultants so ziemlich genau 100% das Gegenteil von einem Startupgründer sind.

Oder übersehe ich hier etwas? Liege ich daneben? Das wäre doch mal eine schöne Botschaft zu Weihnachten für die hier kritisierten Unternehmen.

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