GlücksschweinIn den Wochen vor Weihnachten gab es in den Publikumsmedien eine aufgeregte Diskussion über die fatalen Folgen des Onlinehandels für die Amazon ob seiner Größe stellvertretend herhalten musste. Die meisten der genannten Argumente waren und sind vollkommener Blödsinn, aber im Zeitalter der klick- und zuschauergeilen (Online-) Medien haben sie hervorragend funktioniert. Ohne den Unfall von Michael Schumacher hätten wir in den letzten Tagen sicherlich auch noch mehr über gestresste Fahrer bei Paketdiensten und ausgestorbene Innenstädte erfahren. Da kann man nur gute Besserung wünschen.

Bisher wurde E-Commerce weitestgehend als eine weitere Art des Einkaufens betrachtet – in etwa so wie TV Shopping oder der Kataloghandel. E-Commerce wird zum Kanal „degradiert“ und strategisch von den meisten Unternehmen auch so behandelt, dabei ist es viel essentieller. E-Commerce ist die aktuell effizienteste Art Handel zu betreiben und steht damit in der Nachfolge von kleinen Kaufmannsläden über größere lokale Märkte bis hin zum Cash & Carry System. Amazons Ansatz sorgt für reichlich Verwirrung und Matthew Yglesias hat das in einem sehr populären Artikel vor einem Jahr schön zusammengefasst:

That’s because Amazon, as best I can tell, is a charitable organization being run by elements of the investment community for the benefit of consumers. The shareholders put up the equity, and instead of owning a claim on a steady stream of fat profits, they get a claim on a mighty engine of consumer surplus. Amazon sells things to people at prices that seem impossible because it actually is impossible to make money that way. And the competitive pressure of needing to square off against Amazon cuts profit margins at other companies, thus benefiting people who don’t even buy anything from Amazon.

E-Commerce ist keine Schicht die man auf diese alten Handelsmodelle auflegen kann, um diese zu optimieren. E-Commerce ersetzt die meisten dieser Handelskanäle. Diese Sicht wurde bisher als Absolutismus abgetan. Sie galt aus Sicht der „alten“ Händler als engstirniges Dogma der verhassten Onliner.

Bis zum heutigen Tage wird alles getan und gesagt, um die alten Handelsmodelle schönzureden. „Der stationäre Handel wird immer Bestand haben.“ ist nur eine der vielen falschen Aussagen die permanent wiederholt werden. Sie ist falsch, irreführend und aus den Mündern von Geschäftsführern auch unsäglich. „Die stationäre Präsentation von Waren wird für einige Sortimente weiterhin relevant sein.“ wäre die viel richtigere Aussage, aber in 2013 hat sich kaum einer der Protagonisten getraut das zu sagen. Und 2014 wird aus meiner Sicht das Jahr in dem sich das ändert. Brandon Fail von Shoplift hat in einem lesenswerten Artikel die Selbstlügen der Branche zusammengefasst.

And if you just look at stuff from the past 1-2 years, and you’re willing to stick with it a while and flip through a whole bunch of these, you’ll find a common storyline, told and retold before your eyes. It goes something like this:

  1. Don’t worry: most shopping still takes place in stores, not online – especially for clothing and apparel.
  2. There’s time: shopping will continue to shift to the Web smoothly and slowly between now and 2020.
  3. The trick to winning is giving shoppers everything they want.
  4. So we set out to figure out what shoppers want – by asking them!
  5. Everyone now needs to offer shoppers an omni-channel experience, which means retailers must quickly get good at everything, all at once.
  6. Doing that will differentiate you from the pack.
  7. It won’t be easy, but if you spend enough, it’s totally in reach.  And since all of your competitors are going to spend for it, you don’t want to be left behind.

This may or may not be what anybody individual thinks or says out loud; but on the whole it appears to be the story the retail industry is telling itself.

Unser Leitspruch “Handel ist Wissen“ meint den Wissensvorsprung den heutige Handelsmodelle haben müssen, um im Wettbewerb erfolgreich zu sein. Das betrifft zum einen das Wissen um das richtige Handelsmodell und noch mehr das Wissen für die richtige Umsetzung. Die von Brandon Fail so schön aufgezeigten Selbstlügen sind dagegen eine Art Schutzbehauptung – historische Daten werden verwendet, um Gegenwart und Zukunft zu beschreiben. Die Betrachtung von E-Commerce Handelsmodellen, insbesondere in Publikumsmedien, bezieht sich ebenfalls oft nur auf Oberflächlichkeiten, wie man es im Fall von Amazon gerade sehen kann. Umso erfreulicher ist der lange Bericht zu Amazon von Markus Brauck in der letzten Spiegel Ausgabe im Jahr 2013 mit dem Titel „Gnadenlos.com“. Im Beitrag stellt er u. a. die folgende Frage:

Die Frage, die sich verunsicherten Kunden stellt, lautet schlicht: Wie böse ist Amazon?
Eine Antwort ist nicht so leicht. Vieles von dem, was Amazon zur Last gelegt wird, sind die Folgen eines allgemeinen Siegeszugs des E-Commerce, für den Amazon ikonografisch steht. Leere Kaufhäuser, öde Innenstädte, tote Buchhandlungen. Frustrierte Händler, deren Geschäftsmodelle nicht mehr funktionieren. Ist der Löwe, der die Gazelle erlegt, böse – oder einfach nur schneller?

Im Beitrag wird herausgearbeitet, dass Amazon nicht böse ist, auf jeden Fall nicht zu seinen Kunden. Amazon ist lediglich ein Platzhalter für den gesamten E-Commerce. Sie reizen das Modell vollends aus – das kann man gut oder schlecht finden. Deutlich wird allerdings, dass alte Handelsmodelle gegen diese Form des Handels nicht ankommen können. Und halbtote stationäre Modelle die es in den letzten 20 Jahren verpasst haben an ihrem Geschäftsmodell und in die Umsetzung zu investieren sind lediglich Opfer ihrer eigenen Selbstlügen.

Insbesondere diese Handelsmodelle versuchen nun aber umso verzweifelter E-Commerce Modelle nachzuahmen, bis sie zur Erkenntnis gelangen, dass im E-Commerce am Ende nur die Kostenführer und Hersteller gewinnen können. Der Rest teilt sich die verbleibenden 10 % Marktanteil. Niemand braucht mehr unzählige kleine Handelsportale und schlechtgemachte Onlineshops stationärer Händler. Dieses Thema wird in aller Tiefe auf der K5 Cruise im März diskutiert. Es reicht online scheinbar noch nicht mal mehr aus das richtige Handelsmodell (Hinweis: es hat immer einen USP) zu wählen – man muss es auch noch effizient umsetzen und betreiben. Willkommen im Heinemannkegel.

Bis hierhin könnte man den Text als abwegiges Szenario eines E-Commerce Sympathisanten abtun. Dagegen spricht allerdings der drohende Niedergang von Karstadt, der sich in einer komödienhaften Inszenierung von Nicolas Berggruen aus Reihe eins beobachten lässt. Hendrik Ankenbrand hat in der FAZ einen fabelhaften Beitrag dazu geschrieben.

Vor zwei Jahren, da führte er in Deutschland noch den Titel Karstadt-Retter, ließ sich Nicolas Berggruen in New York für eine Börsenzeitung fotografieren. Der Milliardär bestellte die Fotografin in seine Suite im Carlyle-Hotel, zog sich einen Bademantel über und warf sich aufs Bett. Inmitten weißer Daunen posierte Berggruen mit zwei Kuscheltieren im Arm, unter dem Bademantel blitzte die Brust, die Lider schlugen nieder und die Lippen öffneten sich, nur ganz leicht.

Auch Karstadt und die damals berichtenden Medien waren Opfer der oben genannten Selbstlügen. So langsam verstehen sogar die letzten eingefleischten Karstadt Kunden, dass 2014 wohl das, oder eines der letzten Jahre sein werden, in dem sie dieses historische Handelsmodell live bewundern können, trotz des gerade neu gelaunchten Online Shops. Multichannel und so, Sie wissen schon.

Noch spannender wird der Kampf gegen die Windmühlen aber für Shoppingcenter. Ich halte das Handelsmodell der großen fensterlosen Boxen mit vielen Parkplätzen vor der Tür für komplett überholt – fast bin ich geneigt es als Blase zu betrachten. Nicht nur der USP dieses Modells steht trotz toller neuer Food-Courts zur Diskussion, nein auch die meisten der dafür notwendigen Ankermieter stehen schon jetzt mit dem Rücken zu Wand. Jochen Krisch hat in einem Beitrag im letzten Jahr dieses Dilemma beschrieben. In Shoppingcentern finden sich i. d .R. keine Onlinehändler und die dominierenden Ankermieter (Saturn, Thalia, ….) stehen durch ihre fruchtlose Onlinestrategie schlechter da denn je. Noch nicht mal das nagelneue Skyline Plaza in Frankfurt schafft eine hinreichende Attraktivität für den Kunden, trotz modernster Auslegung der Bauregeln für fensterlose Shoppingboxen. Die FAZ beschreibt es so:

Das Skyline Plaza – ein Geheimtipp für alle, die dem Weihnachtsrummel entfliehen wollen. Für die Kunden mag das schön sein. Für eine Reihe von Einzelhändlern dort ist es ein bitterer Satz. Sie regen sich zunehmend auf, dass die Geschäfte in dem Ende August eröffneten Einkaufszentrum neben dem Messegelände nicht so laufen wie erhofft. 60 von 170 haben ihrem Ärger jetzt mit einer Unterschriftensammlung Luft gemacht. Sie fühlen sich vom Centermanagement im Stich gelassen. Zu wenig Werbung, sagen sie. Zu wenig Aktionen. Die Toiletten zu abgelegen. Vor allem: Die Parkgebühren müssten sinken.

Toiletten und Parkgebühren also – die Rettung des stationären Handels. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass Kunden nicht mehr wie wandelnde Brieftaschen stationär einkaufen wollen. Vorne mit Geld in die Box rein, hinten mit Ware aus der Box raus. Für wen ist das genau denn noch attraktiv? Sogar Rewe verabschiedet sich von seinem Großflächen-Konzept. Die Toom-Lebensmittelmärkte werden zu „attraktiven“ Shoppingcentern umgestaltet. Sozusagen aus dem Mittelalter in die 90er Jahre. Auch eine Möglichkeit. Solange es aber noch Karstadt & Real in der Nähe gibt, dürfte das neue Rewe Konzept wie ein Ritz unter den SB-Warenhäusern wirken.

Das Jahr 2014 beginnt bei Kassenzone.de also mal wieder mit einem Abgesang auf die alten Handelsmodelle. Solange der Onlinehandel weiterhin so leichtsinnig unterschätzt wird, werden aber noch ein paar Beiträge zu dem Thema folgen. Versprochen. Handel ist Wissen, aber viele wissen das (noch) nicht. Vielleicht muss ich mir für 2015 ein neues Ankerthema suchen. Hoffentlich sogar.

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